Preußisches Gesetz vom 22. Mai 1815. 59
berathender Stimme bei Gesetzen über Person und Eigen-
thum, einschließlich der Besteuerung. Es war ein sehr mageres
Gericht für den Hunger der liberalen Parteien: Volksvertreter,
nicht vom Volke gewählt, mit enger Competenz, und inner-
halb derselben nur mit berathender, nicht mit beschließender
Stimme. Indessen, wie immer beschaffen, eine Verfassung
hatte das Gesetz dem Volke verheißen; alle Liberalen warteten
ungeduldig der Erfüllung der Zusage, und Hardenberg war
fort und fort mit den Vorarbeiten dafür beschäftigt. Nun
stieß er aber bei jedem Schritte auf den hartnäckigen Wider-
stand jener Adelspartei, die seit 1808 Stein's und seine
eignen Reformpläne bekämpfte, und vernahm aus Karlsbad,
daß Metternich ganz nach deren feudalem Sinne die Ver-
fassungen der Einzelstaaten zu gestalten wünsche. Sofort
war er entschlossen, eine solche Einmischung der Bundes-
gewalt nimmermehr zu gestatten. Dazu kam, daß ein preußi-
sches Gesetz von 1818 die Erhebung mäßiger Zölle an den
bisher offenen Landesgrenzen, zu großem Vortheil der preußi-
schen Finanzen, aber zu ebenso starkem Verdrusse der dadurch
betroffenen deutschen Nachbarn verfügt hatte. Es erhob sich
sogleich ein Schrei der Entrüstung über diese neue Zer-
reißung des deutschen Vaterlandes, worauf Preußen sehr
gelassen mit der ruhigen Erwägung antwortete, daß ein Zoll-
bund mit Osterreich, Hannover, Holstein zur Zeit unmöglich
sei, den übrigen Staaten aber anheimgab, sich dem preußischen
Zollsystem anzuschließen, wozu sich 1819 der Fürst von
Schwarzburg-Sondershausen auch bequemte. Aber niemand
ahnte, zu welcher großen nationalen Entwicklung damit der
erste Schritt gethan war; vielmehr erscholl überall der Ruf,
das preußische Zollgesetz müsse von Bundeswegen aufgehoben,