76 Politische Erregung in Süddeutschland.
Volksversammlung vor seinem Schlosse zu Cassel beeilte sich
Kurfürst Wilhelm, eine neue Verfassung zuzusagen, welche
dann nach rascher Verhandlung am 5. Januar 1831 zum
Abschluß kam. Der Kurfürst aber verließ mit seiner vom
Volke insultirten Geliebten das Land, und übertrug die Rc-
gierung dem Kurprinzen Friedrich Wilhelm als Mitregenten.
Auch in Süddeutschland waren die Gemüther in lebhafter
Bewegung, doch zeigte sich zunächst kein ungesetzliches Handeln.
Die bayerische Kammer machte scharfe Angriffe auf die Re-
gierung wegen eines strengen Preßgesetzes und strich zu
schwerem Verdrusse König Ludwig's einige für seine Kunst-
bauten begehrte Summen. In Baden, wo kurz vorher der
sehr gemäßigte und milde Großherzog Leopold zur Herrschaft
gelangt war, gewann die liberale Partei wieder die Mehrheit
in der zweiten Kammer; die Verhandlungen waren lebhaft, fanden
Widerhall in allen deutschen Landen und gaben der liberalen
öffentlichen Meinung auf lange Jahre die Richtung. Zwischen
der Regierung und der Kammer wurde jedoch durch gegenseitige
Concessionen ein gutes Verhältniß bewahrt. Bei der Berathung
des Preßgesetzes beschloß die Kammer vollständige Preßfreiheit
und Beseitigung der Censur, und die Regierung, zuerst wider-
strebend im Hinblick auf die Karlsbader Beschlüsse, fügte sich
schließlich der populären Forderung. Als weiterhin aber Karl
Welcker eine Aufforderung an die Regierung beantragte, für die
Berufung eines deutschen Parlaments neben dem Bundestag zu
wirken, legten die Minister kräftige Verwahrung ein, daß die
Kammer damit ihre Befugniß überschreite: die Mehrheit ließ es
darauf bei einer kurzen Besprechung des Antrags ohne Beschluß-
fassung bewenden. In Württemberg, wo der Landtag damals
keine Sitzung, und unter der kräftigen und einsichtigen Verwaltung