Ungefährlichkeit der Bewegung. 77
König Wilhelm's sich ein großer Wohlstand entwickelt hatte,
war von Unruhen keine Rede.
Angesichts dieser Thatsachen kann das geschichtliche Ur-
theil über die deutsche Bewegung jener Jahre nicht zweifel-
haft sein. Unverkennbar herrschte in Folge der reactionären
und zugleich unfruchtbaren Bundespolitik in weiten Kreisen
Unzufriedenheit mit dem vorhandenen Zustand, und die neuen
liberalen Errungenschaften wurden von einer bedeutenden
Mehrheit freudig begrüßt. Aber ebenso unverkennbar zeigt
es sich, daß der großen Masse der Bevölkerung jede Neigung
zu revolutionärer Gewalt damals noch fremd war. Ihre
politischen Wünsche waren billig und gemäßigt, und sobald
die Regierung ein entsprechend billiges Entgegenkommen zeigte,
halfen Bürger und Bauern bereitwillig zur Erhaltung oder
Herstellung der Ordnung mit. Auch die neuen Verfassungen
gaben davon Zengniß. Die wesentlichen Regierungsrechte
blieben gewahrt, und die stärkere Beschränkung des souveränen
Willens in der kurhessischen entsprang nicht aus radicalen
Theorien, sondern aus einer leider nur zu begründeten Vor-
sicht gegenüber dem persönlichen Naturell sowohl des Kur-
fürsten als seines Thronfolgers.
Wesentlich in diesem Sinne faßten auch die preußischen
Minister die Lage auf. Von politischer Erschütterung war
in den weiten Provinzen der Monarchie wenig zu spüren;
selbst in der beweglichsten derselben, dem Rheinland, hielt
das wachsende Gedeihen von Industrie und Handel den ver-
lockenden Eindrücken der französischen Freiheit die Waage.
In der That, es war begreiflich genug. Seit 1815 hatte
die preußische Verwaltung in den hundert Bruchstücken von
Bruchstücken, aus welchen damals der Staat neu zusammen-