Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

142 Dualismus im Bunde. 1851 
Wiener Hof auf das Mißtrauen der mittelstaatlichen Re- 
gierungen gegen Preußen seine Rechnung setzte, so meinte 
Preußen eine noch zuverlässigere Stütze in der Gemeinschaft 
der materiellen und Culturinteressen der gesammten deutschen 
Bevölkerung außerhalb Osterreichs zu haben. Auf dem 
handelspolitischen Gebicte war man bereits im Stillen mit 
der Vorbereitung eines durchschlagenden Gegenzuges beschäftigt. 
In den Bundestag aber ernannte der König an die Stelle 
des nach Petersburg zurückkehrenden Herrn von Rochow den 
bisherigen Deichhauptmann Herrn Otto von Bismarck Schön- 
hausen, der mit der Uberreichung seiner Creditive an den 
Bundespräsidenten am 29. August 1851 den ersten Schritt 
auf einer Laufbahn von weltgeschichtlicher Bedeutung that. 
Bismarck stand damals mit 36 Lebensjahren in der 
vollen Blüthe des kräftigsten Mannesalters. Eine hohe Ge- 
stalt, welche die Mehrzahl der Menschenkinder um eine Kopfes- 
länge überragte, ein gesundheitstrahlendes Antlitz, ein von 
Intelligenz belebter Blick, in Mund und Kinn der Ausdruck 
unbeugsames Willens, so erschien er damals den Zeitgenossen, 
in jedem Gespräche erfüllt von originalen Gedanken, farbigen 
Bildern, frappanten Wendungen, von gewinnender Liebens- 
würdigkeit im geselligen, von schneidender Überlegenheit im 
geschäftlichen Verkehr. Sein Bildungsgang war großes 
Theils der eines Autodidakten gewesen; die frische Ursprüng- 
lichkeit seiner Natur hatte er weder durch mechanische Schulung 
noch durch äußerlichen Dienstzwang einschnüren oder um- 
schleifen lassen. Auf der Universität hatte er bald den Be- 
such langweiliger Vorlesungen aufgegeben, und als flotter 
Corpsbursche alle Freuden der akademischen Freiheit gründlich 
genossen. Aber sein Dasein ging nicht, wie bei so Vielen,
	        
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