Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

1851 Streit über die deutsche Flotte. 151 
für die Unterhaltung der Flotte zunächst die rückständigen 
Matricular-Umlagen des Jahres 1848 eingezahlt und ver- 
wandt würden. Die im Rückstand verbliebenen Staaten aber 
wollten davon nichts wissen, und auf ihr Betreiben beschloß 
der Bundestag am 7. Juli 1851 mit Stimmenmehrheit eine 
neue Vorschußumlage von 532000 Gulden. Hiegegen legte 
Preußen Verwahrung ein, weil nach Bundesrecht die Flotte 
noch keine organische Einrichtung, und folglich, ganz wie es 
die Süddeutschen in Dresden begehrt, für die zu ihrer Unter- 
haltung nothwendigen Beschlüsse Einstimmigkeit erforderlich 
sei. Dieser Vorgang wiederholte sich, als gegen Ende des 
Jahres die Majorität zur Deckung des Ausfalls ein Anlehen 
bei dem Hause Rothschild aufzunehmen beschloß: auch diese 
gegen seinen Widerspruch verfügte Maaßregel wurde von 
Preußen für verfassungswidrig und nichtig erklärt. Die Majo- 
rität entgegnete, daß kein Bundesgesetz für solche Beschlüsse 
die Einstimmigkeit fordere. Preußen begehrte umgekehrt den 
Nachweis für die bundesrechtliche Competenz der Mehrheit. 
Hiemit kam der Streit auf einen sehr bedenklichen Boden. 
Die Majorität war der Ansicht, daß in zweifelhaften Fällen 
über die Competenz des Bundestags nur dieser selbst, d. h. 
seine Majorität, zu entscheiden habe, sonst könne ja der kleinste 
Bundesstaat die nothwendigsten Beschlüsse durch sein Veto 
hindern. Preußen erwiderte, nach dieser Theorie sei die ver- 
fassungsmäßige Souveränität der Einzelstaaten der Willkür 
der Majorität durch Erweiterung der Bundescompetenz schutz- 
los Preis gegeben. Die beiden Sätze waren gleich unwider- 
leglich; neben einander gestellt, bewiesen sie schlagend die 
Unnatur und Unvernunft der Principien, auf welche die 
Bundesverfassung von 1815 begründet war.
	        
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