1854 Bismarck's Auffassung. 183
der Sieg höchst fruchtbaren Gewinn. Für Preußen sei das
Umgekehrte der Fall. Auf Preußen würde die Hauptlast
des Kampfes drücken; auch nach dem glorreichsten Siege
biete sich uns kein Vortheil. Was hätten wir im Orient zu
suchen? Um so mehr hätten wir Grund, unsere freundlichen
Beziehungen zu Rußland zu schonen, die in der Zukunft
uns vielleicht äußerst werthvoll, ja unentbehrlich werden
könnten. Unser einziger Gegner, wie Zollverein und Bundes-
tag fortdauernd darthun, sei Osterreich, und zugleich die
einzige Macht, deren Einschränkung uns wirklichen Nutzen
bringen könne. Müßte durchaus gekämpft werden, so hätten
wir auf die Osterreich feindliche Seite zu treten, es wäre
denn, daß der Wiener Hof uns tüchtige Einräumungen in
den deutschen Angelegenheiten machte. Einstweilen aber sei
eine festbewehrte Neutralität das Beste, zumal sie auch dem
Wunsche aller andern deutschen Staaten entspreche.
Jeden Tag vernahm der Monarch, auf den hier Alles
ankam, die Außerungen all dieser Ansichten, und jede der-
selben fand, wie es seine Art war, Anklang in seiner allen
Eindrücken weit geöffneten Brust. Er lobte es, wie Bunsen,
daß England sich der Eroberung der Türkei durch Rußland
widersetzte, und klagte, daß durch den Übermuth seines
Schwagers der Zusammenhalt des alten Europa gegen die
Revolution und deren Vertreter Napoleon zerrissen sei. Wie
immer aber wirkten auch hier auf ihn die religiösen An-
schauungen noch stärker als die politischen ein. Von jeher
war ihm wegen des gemeinsamen protestantischen Bekennt-
nisses England der wertheste Bundesgenosse erschienen, aber
von demselben Standpunkte aus war es ihm ein empörender
Gedanke, in der Türkei viele Millionen Christen unter heid-