Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

1854 Preußens friedliche, Napoleons drohende Haltung. 207 
Die Westmächte waren über diesen Verlauf der Dinge 
in hohem Grade erbittert. Nach früheren Äußerungen Buol's 
hatten sie bei einer russischen Ablehnung der vier Punkte 
wenigstens auf Abberufung des österreichischen Gesandten aus 
Petersburg, also auf diplomatischen Bruch gerechnet, welchem 
dann der militärische bald gefolgt wäre. Aber nichts der 
Art geschah, und Rußland mochte gelassenes Muthes große 
Massen seiner Streitkräfte auf die kecken Angreifer Sebastopols 
werfen. Osterreich schob die Schuld auf Preußen, erzielte 
aber damit in Paris und London nur einen halben Erfolg. 
Wohl blieben die beiden Höfe in ihrer zornigen Stimmung 
gegen das Berliner Cabinct, aber sie fanden, daß dieses aller- 
dings mehr Grund als Osterreich zur Russenfreundschaft habe, 
und stets bei der einmal bekannten Farbe geblieben sei, während 
Osterreich immer mit dem Säbel rassele, im entscheidenden 
Augenblicke ihn aber nicht ziehe. So ergossen sie die Schalen 
ihres Verdrusses gleichmäßig über beide deutsche Mächte. 
Napoleon, welcher damals einen Besuch des Prinzen Albert 
empfing, sagte in vertraulichem Gespräche seinem Gaste, er 
müsse natürlich seine Politik dem Gange der Ereignisse an- 
passen, der innerste Wunsch aber seines Herzens sei und bleibe 
die Befreiung Polens von dem russischen, und Italiens von 
dem österreichischen Joche, ein Wunsch also, welcher sein da- 
maliges Streben, Österreich zum Kriege gegen Rußland an- 
zutreiben, in ein eigenthümliches Licht setzte. Seine Gesandten 
an den deutschen Höfen äußerten mit bedenklichen Mienen, 
wenn durch Deutschlands Verhalten Rußland nicht vor 
Jahresschluß zum Frieden gezwungen würde, müsse man im 
Frühling revolutionäre Kräfte zu Hülfe rufen. Dem entsprach 
ein an verschiedenen Stellen auftretendes Gerücht, daß Frank-
	        
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