Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

1850 Brandenburg's Audienz bei Kaiser Franz Joseph. 13 
haben würde, und war somit in erster Linie auf Erhaltung 
des russischen Wohlwollens bedacht. Kaiser Nikolaus aber 
wünschte jetzt so wenig wie früher den Krieg, sondern die 
Verständigung zwischen den deutschen Mächten, war in den 
Hauptsachen überall einig mit Osterreich, sandte noch am 
26. October eine scharfe Mahnung nach Berlin, die Bundes- 
truppen in Hessen nicht zu hindern, drückte aber fortwährend 
auch auf Osterreich, dem Gegner goldne Brücken zum Rück- 
zug zu bauen und in allen Form= und Ehrenpunkten gefällig. 
zu sein. 
Am 26. October Vormittags hatte Graf Brandenburg 
die erste Audienz bei dem österreichischen Monarchen. Der. 
Kaiser verhielt, sich gegen den Grafen durchaus huldvpll und 
anadig- trat aber persönlich in keine politische Erörterung 
ein, sondern beschränkte sich darauf, seinen Standpunkt durch 
einige Sätze zu bezeichnen, über die er auch bei spätern Ge- 
sprächen nicht hinausging: ich habe, sagte er, den heißesten 
Drang zur Verständigung, wünsche lebhaft, daß eine Form 
dafür gefunden werde, glaube aber mit meiner Regierung 
auf dem Rechtsboden der Verträge zu stehen, welchen ich un- 
möglich verlassen kann. Unmittelbar auf die Audienz folgte ein 
kurzes, bald unterbrochenes Gespräch zwischen Brandenburg und 
Schwarzenberg; man hatte eben Zeit genug, daß Schwarzen= 
berg die Erklärung abgeben konnte, es genüge nicht, daß 
Preußen die Unionsverfassung vom 26. Mai als unausführbar 
bezeichne, nöthig sei die ausdrückliche Aufhebung derselben. 
Am Abend kam es dann zu einer ausführlichen Erörterung 
zwischen beiden Ministern. Die Unterredung bewegte sich, 
wie Brandenburg berichtete, ohne alle Aufregung in cordialer 
Form, wie bei Gelegenheit des Wiedersehens alter Bekannter, 
 
	        
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