1855 Abbruch der Conferenzen. 233
in diesem wunderbar organisirten Kopfe flossen unaufhörlich
despotische, revolutionäre und humanitäre Bestrebungen in
einander. Wie Kaiser Nikolaus seine Herrschsucht mit der
Bekämpfung der Revolution und der Ausbreitung der recht-
gläubigen Kirche, so decorirte Napoleon III. die seinige mit
dem Ideale einer demokratischen Volksbeglückung.
Da ihm, dem alten Mitgliede der italienischen Geheim-
bünde, in erster Linie die italienische Sache am Herzen lag,
so bildete der Gegensatz gegen Osterreich den innersten Kern
seiner künftigen Politik. So sehr er zur Zeit in Wien
freundlich that, um Österreich in den offenen Krieg gegen
Rußland hinein zu hetzen, und damit vielleicht schon jetzt
die Herstellung Polens zu erlangen — so sehr er seinen
Minister wegen der weisen Ansprache an Franz Joseph zu
diesem Zwecke belobte: so weit wie möglich war er von dem
Streben Drouyn's nach einer bleibenden Allianz mit Oster=
reich entfernt. Es kam ihm nicht in den Sinn, für die Er-
langung derselben die an Rußland zu stellenden Forderungen
auf ein ungebührliches Maaß herabzumindern. Als solches
aber erschien ihm ebenso wie dem Lord Palmerston der
Vorschlag des Grafen Buol vom 21. April. Umgehend
telegraphirte er nach Wien, daß davon keine Rede sein dürfe.
Damit war der Abbruch der Conferenzen, und zugleich
die Trennung zwischen Osterreich und Frankreich gegeben.
Graf Buol erklärte, daß Österreich jede Steigerung der
Forderungen für unzulässig halte, und da die Westmächte
auf solchen beharrten, an dem Kriege keinen Antheil nehmen
werde. Nochmals machte er einen Versuch, in geänderter
Form seine Auffassung den Westmächten annehmbar zu
machen; Drouyn de Lhuys beschloß schleunige Rückreise nach