1856 Osterreichs ungünstige Lage. Selbstgefühl der Mittelstaaten. 239
Seite. Manteuffel hütete seine Zunge, doch war in seinen vor—
sichtigen Worten die Abkehr von Osterreich unverkennbar.
Seinerseits hatte er auch an dieser Stelle die Ansprüche seines
Königs auf Herstellung in Neuenburg zu erwähnen; jedoch ver-
mied er sorgfältig, durch Einbringung bestimmter Anträge die
Gemüthlichkeit dieser Conversationen zu stören. Das deutlichste
Ergebniß der Conferenz war die Isolirung des Wiener Hofes
und die thätige Sympathie Frankreichs für Sardinien.
So hatte die begehrliche, schwankende und zuletzt unthätige
Politik des Grafen Buol bei schweren Kosten an keiner Stelle
Früchte geerntet. In Berlin freute man sich, den Segen
des bewahrten Friedensstandes wohlfeiler eingeheimst zu haben,
stand in warmer Freundschaft mit Petersburg, und erfuhr, seit
Drouyn's de Lhuys Fall, aus Paris nichts als Liebes und
Gutes. Am Bundestag hatte Preußen zur Zeit den Einfluß
Osterreichs bei Weitem überflügelt, sollte aber bald erleben,
wie wenig sicheren Bestand die Freundschaft der Mittelstaaten
darbot. Der Verlauf der orientalischen Krisis hatte in München
und Dresden das Selbstgefühl in hohem Maaß gesteigert.
Wir können Europa nicht beherrschen, pflegte damals Baron
von der Pfordten zu sagen, aber wir sind stark genug, um
das Zünglein an der Wage Deutschlands zu bilden; wie wir
1850 Preußen verhindert haben, Osterreich aus Deutschland
hinauszudrängen, so haben wir jetzt es dem Wiener Hofe
unmöglich gemacht, Deutschland mit Ausschluß Preußens um
sich zu sammeln; wir bedürfen die Anwesenheit zweier Groß-
mächte im deutschen Bunde; dann ist der Bundestag die einzig
heilsame Vertretung der deutschen Gesammtheit.