Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

252 Der Ausgang der Regierung Friedrich Wilhelm's IV. 1856 
geschützt; es sei, glaubte man, nicht daran zu denken, daß der 
Kaiser jemals einen preußischen Angriff gegen ihr Gebiet 
erlaube. So ließ man den Proceß gegen die Gefangenen 
ungehemmt seinen Gang gehen, und zuckte die Achseln mit 
heiterem Gleichmuth bei den Erzählungen von dem ohn— 
mächtigen Zorn, den Briefen und Sendungen des preußischen 
Königs. 
Unterdessen aber hatte auch dieser erkannt, wo der 
Schwerpunkt der Entscheidung liege. Sein Urtheil über 
Napoleon hatte durch den Verlauf des Krimkriegs und die 
seitherige Haltung der französischen Politik eine wesentliche 
Änderung erfahren. Mit dem Gedanken, bei der jetzigen 
Weltlage auf Neuenburg zu verzichten und darüber zunächst 
mit den Großmächten in Einvernehmen zu treten, hatte er 
sich vertraut gemacht: aber um so unerschütterlicher stand 
sein Entschluß, sich auf keine Unterhandlung einzulassen, ehe 
die Schweiz die vorgängige und bedingungslose Freilassung 
der Gefangenen gewährt habe. Ließen ihn die Mächte hiebei 
im Stich, so würde er durch preußische Truppen Schaffhausen 
und Basel in Pfandbesitz bis zur Erfüllung seiner gerechten 
Forderung nehmen. Am 16. September theilte er in einem 
zweiten, eigenhändigen Briefe diese Intentionen dem Kaiser 
Napolcon mit. „Der Ton meines officiellen Schreibens an 
Ew. Majestät, sagte er darin, war kalt, und ermangelte der 
warmen Sprache, die mein Herz und mein Vertrauen zu 
Ew. Majestät mir vorschreiben. Der Augenblick ist gekommen, 
wo es von Ew. Majestät abhängt, einen ergebenen und für 
jede Probe zuverlässigen Freund zu gewinnen, einen Be- 
wunderer der großen Fähigkeiten, welche Europa Sicherheit 
und Frieden wieder gegeben haben.“ Nachdem er darauf die
	        
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