254 Der Ausgang der Regierung Friedrich Wilhelm's IV. 1856
Preußen mit Unterstützung der süddeutschen Staaten eine
Armee in die Schweiz einrücken lassen.
Der König war mit alledem im höchsten Grade zu-
frieden. So wenig wie Napoleon wünschte er den Krieg,
theilte aber auch durchaus des Kaisers Hoffnung, daß dessen
mächtiges Wort die günstige Entscheidung herbeiführen würde,
vollends wenn die übrigen Großmächte in gleichem Sinne
reden wollten. In der That, wie hätte man zweifeln sollen?
Irgend eine sachliche Gefahr konnte die Freilassung der Ge-
fangenen der Schweiz nicht bringen. Es war eine Frage
des Princips und der Ehre. Allerdings enthielt die Frei-
lassung die Anerkennung, daß die Gefangenen im Rechte, die
Schweiz im Unrecht gewesen. Eben deshalb wurde sie vom
Könige gefordert und von der Schweiz verweigert. Wie
aber, wenn nun ein völlig Unbetheiligter, welcher zugleich
der mächtigste Nachbar und der beste Freund der Schweiz
war, sie aufforderte, im eigenen und im französischen Interesse,
nicht auf preußisches Begehren, sondern auf französisches
Ersuchen, den Proceß niederzuschlagen? Welcher vernünftige
Grund konnte die Schweiz von der Erfüllung dieses Wunsches
abhalten? Mit allen Ehren wäre sie darauf in eine Ver-
handlung eingetreten, deren Ausgang kein anderer als der
Verzicht des Königs auf Neuenburg sein konnte.
Es sollte aber anders kommen.
So kräftig auch Walewski geredet hatte, der Bundesrath
glaubte nicht an den Ernst der Worte. Einerseits hielt man
es nicht für sicher, daß Napoleon's gute Dienste in Berlin
ausreichen würden, den bedingungslosen Verzicht des Königs
auf Neuenburg herbeizuführen, wenn dieser nicht mehr durch
Sorge um seine gefangenen Getreuen gedrängt würde. Andrer-