Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

1856 Der König ruft den Bundestag an. 257 
bindend zu erklären; man würde sich damit der Möglichkeit 
aussetzen, künftig einmal Mehrheitsbeschlüsse zur Vertheidigung 
der österreichischen Besitzungen in Italien anerkennen zu 
müssen. Denn, daß Napoleon mit solchen Plänen umgehe, 
hatte Bismarck schon gleich nach dem Pariser Congresse er— 
kannt, und seiner Regierung dargelegt. Um so unbegreiflicher 
erscheint nun hier das Verhalten Osterreichs, dieses unver- 
gleichliche Präcedens nicht zu benutzen, nicht mit allen Kräften 
Preußen zu militärischen Maaßregeln gegen die Schweiz zu 
ermuthigen, und bei dieser Gelegenheit einen wahrscheinlich 
einstimmigen Bundesbeschluß hervorzurufen, daß die Bundes- 
treue den Schutz jedes Bundesgenossen auch in seinen außer- 
deutschen Besitzungen zur Pflicht mache. Es wäre ein be- 
deutender Gewinn für Osterreichs Zukunft gewesen, und hätte 
ihm in der Gegenwart nicht die geringste Gefahr bereitet. 
Denn nichts ist sicherer, als die sofortige Nachgiebigkeit der 
Schweiz, sobald sich Osterreich in drohender Entschlossenheit 
mit Preußen und Frankreich vereinigte. Statt dessen aber 
sehen wir den Grafen Buol überall, in Bern, in Süddeutsch- 
land, in Frankfurt, den preußischen Wünschen Hindernisse in 
den Weg legen, damit den Sinn des Königs immer tiefer 
verwunden und reizen, und das sichere Selbstgefühl der 
Schweizer fortdauernd versteifen. Es verstand sich bei dieser 
Sachlage von selbst, daß der Bundesrath das Ansuchen der 
deutschen Centralbehörde nicht anders als alle frühern For- 
derungen zurückwies. 
Unterdessen hatte Napoleon, sehr verstimmt über die 
Nichtachtung seiner Rathschläge, seine Thätigkeit keineswegs 
eingestellt. Zunächst bat er den König um vertrauliche Auf- 
klärung, unter welchen Bedingungen er nach Freilassung der 
r. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches. II. 17
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.