Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

1857 Neue Projecte einer Bundesreform. 273 
sich aneignete und amtlich in Frankfurt einbrachte. Der 
Antrag, bemerkte Bismarck, sei ohne Zweifel dem Streben 
nach Popularität entsprungen; es nehme sich sehr schön auf 
den ersten Blick aus, daß fortan ein Verfassungsstreit nicht 
mehr durch die Diplomaten-Versammlung in Frankfurt, sondern 
durch eine unabhängige Gerichtsbehörde entschieden werden 
solle: leider werde die Freude aber nur so lange dauern, als 
man den Antrag noch nicht vollständig gelesen habe. In der 
That gab Meysenbug Alles, was die sonstigen Paragraphen 
des Antrags dem Bundestag entzogen, demselben durch die 
einfache Clausel zurück, daß bei jedem einzelnen Streitfall 
der Bundestag zu entscheiden habe, ob er unter die Competenz. 
des Gerichtshofes falle oder nicht. Baron Beust hätte statt 
dessen eine Bestimmung vorgezogen, nach welcher der Bundes- 
tag erst nach einer Competenz-Überschreitung des Gerichtes 
gegen dasselbe einzuschreiten hätte, ließ sich aber dadurch 
nicht abhalten, den badischen Mitstreber freudig zu begrüßen, 
und legte Ende April seine neue Ausarbeitung den Re- 
gierungen mit dem Antrag auf baldigen Zusammentritt einer 
großen Ministerconferenz vor. Bei der Mehrzahl der Höfe 
blieb jedoch das Urtheil des vorigen Jahres ungeändert. In 
München war allerdings König Max, erzürnt durch die hart- 
näckige Eigenwilligkeit seiner Stände, sehr geneigt zu Maaß- 
regeln im Beust'schen Sinne; seine Minister aber machten 
geltend, daß man dergleichen mit eigener Kraft im eigenen 
Lande zu vollziehen, nicht aber zum Schaden der bayerischen 
Souveränität beim Bundestag als allgemeines deutsches Gesetz 
zu beantragen habe. Ich sehe gar nicht ein, sagte Baron 
Pfordten dem preußischen Gesandten, daß wir überhaupt 
einen Grund hätten, an der bestehenden Bundesverfassung 
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches. II. 18
	        
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