Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

278 Der Ausgang der Regierung Friedrich Wilhelm's IV. 1857 
Ermahnung seines Vaters zum Festhalten an Osterreich und 
Rußland vor. Wohl hatte er in den Stürmen der Revolutions- 
zeit oft genug auf Osterreich gezürnt, zuletzt aber war ihm 
die Vermeidung des Kriegs eine Freude über alle Freuden 
gewesen, und ihm nichts mehr im Gedächtniß geblieben, als 
die Gemeinsamkeit in der Bekämpfung der Revolution. Und 
seitdem hatte er nun Jahr für Jahr, zuerst durch Schwarzen= 
berg, dann durch Buol, eine lange Reihe steter Feindseligkeiten 
erleben müssen, beim Zollverein und beim Bundestag, bei den 
deutschen Cabinetten und bei den europäischen Mächten, alle 
darauf abzweckend, Preußen zu überflügeln oder zu lähmen, sein 
Gedeihen zu stören, sein Wachsthum zu hindern. Bis vor Kurzem 
hatte er dies diplomatische Geplänkel, wie es die hohe Politik 
einmal mit sich bringe, gelassenes Muthes durchgemacht; all- 
mählich aber wurde seinen Nerven die fortdauernde Reibung 
unerträglich. In dieser Lage kam ihm der Gedanke, einen 
letzten Versuch persönlich zu machen: wie er einst der Königin 
Victoria geschrieben, daß, wo die Kunst der Diplomaten zu 
Ende gehe, die Souveräne selbst eintreten müßten, so beschloß 
er jetzt eine Reise nach Wien, um, wenn möglich, durch ein 
brüderliches Gespräch die alte Freundschaft herzustellen. Er 
reiste mit schwacher Hoffnung ab, und kehrte mit voller Ent- 
täuschung zurück. Erfüllt von trüben Gedanken, schweres 
Unheil voraussehend, wohin er blicken mochte, kam er nach 
Dresden, wo ein kurzer Aufenthalt gemacht werden sollte. 
Aber auch hier erwarteten ihn widerwärtige Verhandlungen, 
bei welcher er seiner Erregung nicht mehr Meister zu werden 
vermochte. Gleich nach einer solchen Scene brach er ohnmächtig 
zusammen; die in den letzten Jahren durchgemachten Affectionen 
hatten seine Kraft verzehrt, ein Schlagfluß hatte ihn getroffen.
	        
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