Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

302 Antritt der Regentschaft. 1858 
Ich habe diese Einzelheiten so ausführlich berichtet, weil 
sie die Intentionen des Regenten in noch deutlicheres Licht 
rücken, als es durch die feierliche Ansprache geschah, mit 
welcher er die erste Sitzung des neuen Cabinets am 8. No- 
vember eröffnete. Wohl betonte er auch hier mit vollem 
Nachdruck, daß von einem Bruche mit der Vergangenheit nun 
und nimmermehr die Rede sein, daß nur die sorgliche und 
bessernde Hand angelegt werden solle, wo sich Willkürliches 
oder Unzeitgemäßes zeige. Das Wohl der Krone und des 
Landes sei unzertrennlich und müsse auf conservativer Grund- 
lage beruhen. Nicht von sogenannten liberalen, in Wahrheit 
überspannten Ideen dürfe die Regierung sich fort und fort 
in das Unbestimmte treiben lassen; die wahre Staatsweisheit 
bestehe in richtiger Erkenntniß der vorhandenen Bedürfnisse, 
in Wahrheit, Gesetzlichkeit und Consequenz: dann werde eine 
Regierung stark, weil sie ein reines Gewissen, und damit das 
Recht zum Widerstande gegen alles Böse habe. Indem darauf 
aber der Regent die einzelnen Verwaltungszweige durchging, 
erfuhr das Verhalten der bisherigen Regierung auf mehreren 
Gebieten eine so einschneidende Kritik, und wurde namentlich 
die Verquickung politischer und kirchlicher Tendenzen, welche 
nicht Frömmigkeit, sondern Heuchelei erzeuge, mit solcher 
Wärme verurtheilt, daß trotz der vorausgehenden Sätze weit 
und breit sich im Lande die Vorstellung verbreitete, eine völlig 
neue Zeit sei für Preußen angebrochen, und das Cabinet 
Hohenzollern im Volksmund den Namen des Ministeriums 
der neuen Aera erhielt. Weniger beachtet wurden die Worte 
des Regenten über die dringende Nothwendigkeit einer, wenn 
auch kostspieligen, Verbesserung des Heerwesens. Über die 
auswärtige Politik begnügte sich der hohe Redner mit der
	        
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