Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

306 Antritt der Regentschaft. 1858 
gerade unter den hervorragenden liberalen Männern, die sich 
bei der Mischung der verschiedenen Elemente im Cabinet der 
Lage noch nicht sicher fühlten. Georg von Vincke äußerte 
gelegentlich, ein populäres Ministerium müsse der Landtag 
doppelt genau beaufsichtigen, und Graf Schwerin erklärte 
seinen Wählern, er sei ein warmer Freund der neuen Minister, 
könne aber nicht nach deren Winken, sondern in jedem einzelnen 
Falle nur nach unabhängiger Überzeugung stimmen. Er 
wußte damals noch nicht, daß er in einigen Monaten selbst 
Minister sein würde. Im Allgemeinen aber war die preußische 
Bevölkerung erfüllt von der Auffassung, daß die neue Aera 
eine liberale, und jeder Mißklang zwischen dem Ministerium 
und der Volksvertretung unmöglich sein würde. 
Der Prinz-Regent mußte mit diesem Beifall für sein 
Ministerium immerhin zufrieden sein. Aber das Übermaaß des 
Erfolgs rief bei seiner besonnenen Weise ihm sofort auch leisen 
Zweifel an der Dauer des Jubels und zugleich die Frage 
hervor, in wie weit es möglich sein würde, den so mächtig 
hervorsprudelnden Erwartungen gerecht zu werden. 
Einflüsse anderer Art stritten sich um seine Entschließungen 
in der auswärtigen Politik. Wir müssen uns hier noch 
einmal in den Sommer 1858, in die Tage des Aufenthalts 
in Baden-Baden zurückversetzen. 
Wie wir sahen, hatte der Krimkrieg mehrere ungelöste 
Fragen hinterlassen, bei deren Behandlung sich die Groß- 
mächte in zwei Parteien spalteten, Osterreich und England 
auf der einen, Frankreich, Rußland und Preußen auf der 
andern Seite. Dieser Gegensatz beherrschte damals die euro- 
päische Lage, und überall war das Gefühl einer drückenden 
Schwüle in der politischen Atmosphäre vorhanden. Die
	        
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