1859 Spaltung der öffentlichen Meinung in Deutschland. 317
berechnete Haltung trug dazu bei, die öffentliche Meinung
Preußens in dieser Richtung zu befestigen. Gegenüber dem
Waffenlärm in Osterreich war auf französischem Boden von
ernstlicher Rüstung keine Rede; ein kleines Armeecorps sammelte
sich an der Grenze von Savoyen, sonst herrschte tiefer Friede
im Lande, und die Kriegsflotte lag abgetakelt im Hafen von
Toulon. Auch die preußische Regierung fand bei dieser Sach-
lage keinen Anlaß zu kriegerischen Beschlüssen. Mochte sich
aus begreiflichen Gründen in Piemont eine starke Aufregung
entwickeln: ohne Napoleon's Hülfe würde der kleine Staat
keine Schilderhebung wagen, Napoleon aber begehrte bisher
nichts weiter als auf dem Grunde der europäischen Verträge
von 1815 eine Besserung der auch nach preußischem Urtheil
unleidlich gewordenen italienischen Zustände. Der Prinz-
Regent war also nicht einen Augenblick zweifelhaft, daß bis
jetzt mit der ganzen Frage der deutsche Bund nichts zu
schaffen habe, daß mithin Preußen an der Behandlung der-
selben nicht als Bundesstaat, sondern selbständig als euro-
päische Großmacht sich betheiligen werde. Herr von Schleinitz
war bei aller Freundschaft für Osterreich vor Allem ein Feind
scharfer und vielleicht gefährlicher Entschlüsse, und that Alles,
seinen Gebieter in dieser Auffassung zu bestärken. Am Bundes-
tag mußte damals Bismarck dem Herrn von Usedom, einem
Parteigenossen der neuen Aera, den Platz räumen, um
Preußens Vertretung in Petersburg zu übernehmen: die
beiden Herren liebten sich sonst sehr wenig, stimmten aber
völlig in der schwebenden Frage überein, da Bismarck fort-
dauernd Osterreich für Preußens Hauptgegner hielt, und
Usedom für Italiens Unabhängigkeit schwärmte. Ebenso
stand es in Berlin bei den Führern und der Mehrheit der