Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

1859 Die preußische Regierung nimmt Usedom's Antrag an. 349 
Diese Wendung der preußischen Politik wurde in kurzer 
Zeit zallgemein bekannt, und rief auf allen Seiten eine leb- 
hafte, in ihren Schattirungen höchst charakteristische Bewegung 
hervor. In Kurhessen wirkte sie, wie die Erlösung aus einem 
bösen, beängstigenden Traum. Von der lbermacht erdrückt, 
ohne Aussicht auf Unterstützung, hatten die Stände sich 
begnügt, wenigstens einige Concessionen zu beantragen, ohne 
die, wie Usedom sagte, ihr Dasein eine Posse bleiben würde, 
und selbst gegen diese hatte ihr Zwingherr protestirt. Da 
kam ihnen die Kunde von Preußens Auftreten, wie sie hofften, 
als untrügliche Botschaft der nahen Errettung. In einem 
Moment verschwand das Streben nach kleinen Almosen, und 
erhob sich auf's Neue die Forderung des Rechts, des alten, 
dreifach bewährten Landesrechts. Die zweite Kammer sagte 
sich mit beinahe einstimmiger Mehrheit von ihren neulichen. 
durch den Kurfürsten abgelehnten Verbesserungsanträgen los, 
und nahm eine Adresse an den Kurfürsten, sowie eine Eingabe 
an den Bundestag auf Herstellung der rechtmäßigen Ver- 
fassung von 1831 an. In dem ganzen kleinen Lande kam 
ihr begeisterter Zuruf der Bevölkerung entgegen; Beamte, 
Bürger und Bauern waren unermüdlich in der Einsendung 
patriotischer Resolutionen, und mit ohnmächtigem Grimme 
sah der Kurfürst dem unwiderstehlichen Anwachsen dieser 
nichts als Gerechtigkeit fordernden Bewegung zu. Dabei reichte 
der Aufschwung weit über die hessischen Grenzen hinaus. In 
allen deutschen Landen erhob sich die liberale Partei für die 
gute Sache; in Versammlungen, Vereinen und Zeitungen 
ertönte die Losung auf die Anerkennung des so schwer und 
so lange gekränkten Rechts; mit wahrer Wuth wurde Hessens 
Mißhandlung durch den Bundestag als eine Schmach und
	        
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