358 Deutsche Reformfragen. 1860
Begrüßung, zu Napoleon's schwerem Verdruß, Gelegenheit zu
dem Ausspruche: niemals werde er einwilligen, daß eine
Scholle deutscher Erde dem Vaterlande verloren gehe. Als
dann vollends Anfang Mai Garibaldi mit einer Schaar von
1000 Freiwilligen aus dem Hafen von Genua in See ging,
und nach einigen Tagen bekannt wurde, daß er in Sicilien
gelandet sei, um auch diese Insel der Herrschaft Victor
Emanuel's zu unterwerfen: da war alle Welt überzeugt,
niemals hätte Garibaldi ein solches Unternehmen ohne Cavour's
Mitwirkung, und niemals Cavour es ohne die Billigung
Napoleon's gewagt. Besonders das russische Cabinet, welches
von jeher es liebte, sich als besondern Beschützer Neapels
hinzustellen, drückte sowohl in Turin als auch in Paris sein
großes Befremden aus. Napoleon versicherte, daß ihm die
schlimme Sache völlig fremd sei, fand aber wenig Glauben
damit, obwohl er dieses Mal vollkommen die Wahrheit sprach,
und selbst durch Cavour gründlich getäuscht worden war.
Dieser hatte Garibaldi's Ausrüstung in jeder Weise befördert,
im Stillen eine Anzahl neapolitanischer Generale für die
italienische Einheit gewonnen, und zuletzt Garibaldi's Fahrt
durch ein schützendes sardinisches Geschwader geleiten lassen:),
unausgesetzt aber hatte er zugleich dem französischen Gesandten
die bestimmtesten Versicherungen gegeben, daß er von Garibaldi's
Plänen und Treiben absolut keine Ahnung habe — so daß
Napoleon durch die Landung in Sicilien ebenso wie die
übrigen Menschen überrascht wurde.
1) Dem Commandanten desselben gab Cavour mündlich die Weisung,
die Expedition im Nothfall zu schützen. Der Officier sagte: wenn es
geschehen ist, werden Sie mich auf die Festung setzen. Cavour erwiderte:
ganz gewiß, mein Bester; ich sehe, daß Sie mich verstanden haben.