Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

1859 Gründe für die Heeresreform. 377 
So lagen die Dinge, als der Prinz-Regent die Hand 
an die Ausführung des Werkes legte, welches von ihm längst 
als die Vorbedingung jedes Fortschritts in den deutschen An- 
gelegenheiten erkannt war, die Neugestaltung des preußischen 
Heerwesens. Ihm stand die Thatsache deutlich vor Augen, 
daß jedes ernste Auftreten für die in Olmütz geopferten 
Forderungen, die Bundesreform, das kurhessische und das 
holsteinische Verfassungsrecht, Preußen mit schwerer Kriegs- 
gefahr bedrohte, und für die Lösung der großen Aufgabe das 
bestehende Heer nicht ausreichte. 
Bekanntlich beruhte damals die preußische Kriegsverfassung 
auf den Gesetzen von 1814 und 1815, welche bei allgemeiner 
Dienstpflicht die Mannschaft für drei Jahre den Linien- 
regimentern und für weitere zwei Jahre der Kriegsreserve 
derselben, sodann für sieben Jahre dem ersten und sieben 
weitere Jahre dem zweiten Aufgebot der Landwehr zuwiesen. 
Im Kriege würden Linie und Landwehr ersten Aufgebots die 
active Feldarmee, das zweite Aufgebot aber die Besatzung der 
Festungen bilden. Nun betrug 1815 die Ziffer der Bevölkerung 
ctwas über zehn Millionen, jene der jährlich zur Aushebung 
Gelangenden 38000 Köpfe; man hatte also die Zahl und 
Stärke der Linienregimenter auf die Einstellung von drei 
solchen Jahrgängen bemessen. Nach vierzig Jahren aber 
war die Bevölkerung auf beinahe achtzehn Millionen, und 
damit die jährliche Zahl der Dienstpflichtigen auf etwa 
65000 Köpfe gestiegen, während die Regimenter nach wie 
vor nur 38000 aufnehmen, ausbilden und dann der Land- 
wehr überweisen konnten, dagegen aber jährlich 27000 junge 
Burschen völlig dienstfrei blieben. Von allgemeiner Dienst- 
pflicht konnte hienach in Wahrheit nicht mehr geredet werden,
	        
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