386 Streit über die Heeresreform in Preußen. 1860
Allein er erklärte das Ausscheiden der Landwehr aus der
Feldarmee für eine Ehrenkränkung derselben, für einen Abfall
von den heiligsten Traditionen des preußischen Volkes.
Ferner aber erachtete er für die Ausbildung der Infanterie
eine zweijährige Dienstzeit als genügend für den Kriegszweck;
bei ihrer Einführung würde man im Vergleich mit den Folgen
der dreijährigen Dienstzeit entweder ein Drittel der Kosten
sparen oder die Zahl der ausgebildeten Mannschaften um ein
Drittel erhöhen. Vergeblich erhoben sich die Minister gegen
beide Anträge. Sie wiesen nach, daß bei zweijähriger Dienst-
zeit die Hälfte jedes Bataillons aus ungeübten Recruten be-
stehen, und die andere Hälfte nicht stark genug sein würde,
um nach Einberufung der Reserven einen festen Rahmen des
Ganzen zu bilden. Überhaupt gebe nur ein längeres Zu-
sammenleben im Dienste einem Truppenkörper den innern
Zusammenhalt, der zu wuchtigem und zähem Wirken im Kriege
erforderlich sei. Die Erfahrungen, welche in den spätern
Kriegen die glänzende Bestätigung dieses Satzes liefern sollten,
waren damals noch nicht gemacht: man fragte zurück, ob die
Krümper und Landwehren von 1813 eine dreijährige Dienst-
zeit für ihre herrlichen Siege bedurft hätten? Die beiden
Anträge Stavenhagen's, Erhaltung der Landwehr in der Feld-
armee und zweijährige Dienstzeit der Linieninfanterie, wurden
von der Commission beschlossen; es bestand kein Zweifel an
ihrer Annahme und damit der Verwerfung der ministeriellen
Vorlage auch im Plenum des Hauses.
Diese Vorgänge veranlaßten die Regierung zu einem
bedenklichen Schritt, dem ersten Schritt auf einem Wege, der
von dem Streite über das Heer zu einem Streite über die
Verfassung führen sollte.