1862 Preußens Protest gegen den Antrag. 447
Depeschen abgelagert werden, was denn auch in reichlichem
Maaße geschehen ist. Anders aber stand es bei der Frage
der Bundesreform, welche durch den neuesten großdeutschen
Antrag den bewaffneten Zusammenstoß in greifbare Nähe
gerückt hatte. Errang der Antrag in Frankfurt einen Mehrheits-
beschluß, so blieb Preußen nur die Wahl zwischen demüthiger
Unterwerfung oder der Erklärung seines Austritts aus dem
durch die Mehrheit verfälschten Bunde, was dann unaus-
bleiblich und in kürzester Frist zum Kriege hätte führen
müssen. König Wilhelm wünschte lebhaft, einer so traurigen
Alternative überhoben zu sein, und hätte, ähnlich wie Graf
Rechberg, gerne die unitarischen Gedanken hinausgeschoben,
wenn sich zwischen den beiden Mächten ein ehrenhaftes Zu-
sammenwirken in der Lenkung Deutschlands erreichen ließe.
Aber für den entgegengesetzten Fall stand sein Wille fest,
einem verfassungswidrigen Bundesbeschlusse nicht um eines
Haares Breite zu weichen, sondern Preußens ganze Macht
für Preußens gutes Recht einzusetzen — und dann vogue
la galeère.
In den europäischen Verhältnissen zeigte sich damals
kein Symptom, welches Preußen zur Nachgiebigkeit gegen
Ungebühr hätte bestimmen können. Mit Rußland stand man
auf dem besten Fuße; fort und fort ließ Kaiser Alexander
den König seiner warmen Freundschaft versichern, und wenn
Fürst Gortschakoff an dem Wunsche einer russisch-französischen
Allianz festhielt, so wäre ihm dabei nichts erfreulicher ge-
wesen, als der Eintritt Preußens in einen so mächtigen
Verein. Wiederholt erklärte er dem preußischen Gesandten,
daß die Stärkung Preußens im deutschen Bunde dem allge-
meinen Interesse entspreche, und Osterreichs Widerstand dagegen