1860 Napoleon's Auftreten für Polen. 477
meinten, daß sie für ihre Verluste bei der Aufhebung der
Leibeigenschaft durch Verleihung constitutioneller und parla-
mentarischer Rechte entschädigt werden müßten, und der Vice-
kanzler, der sich ein glänzendes Rednertalent zutraute, war
nicht abgeneigt, auf solche Wünsche einzugehen. Weiter ver-
breitet aber im Lande und auch in der Armee war eine
socialdemokratische Partei, die ihre Antriebe von den viel-
genannten Flüchtlingen Herzen und Bakunin empfing, und
mit den Warschauer Gesinnungsgenossen sich in inniges Ein-
vernehmen setzte. Bakunin erklärte damals öffentlich, daß
300 russische Officiere unter den im Königreiche stehenden
Truppen für die Sache des Aufstandes gewonnen seien.
Nun geschah, daß, wie wir wissen, 1859 Kaiser Alexander
durch die revolutionären Stürme Italiens in seinen fran-
zösischen Sympathien wesentlich abgekühlt wurde, und im
October 1860 bei der Zusammenkunft in Warschau auch mit
dem Kaiser von Österreich ein leidliches persönliches Ver-
hältniß wieder herstellte. Napoleon, hiedurch und wegen des
Scheiterns seines Congreßplans erzürnt, beschloß darauf, dem
treulosen Freunde die Schattenseite seines Verhaltens an-
schaulich zu machen, und ließ durch seinen Vetter Jerome in
schmetternden Zeitungsartikeln verkünden, Frankreich werde
mit Rußland genau so weit zum Einverständniß gelangen,
als dieses dem Aufstreben Polens zustimme.
In Polen hatte dieses Auftreten der französischen Re-
gierung eine um so größere Wirkung, als gleichzeitig Gerüchte
von italienischer Rüstung gegen Venetien umliefen; dann
werde, meinte man, Ungarn und Galizien in vollem Aufstande
sich erheben, und die Stunde der Befreiung für das polnische,
wie für das russische Volk gekommen sein. Hienach bildete