478 Polnische Wirren. 1860
sich in Warschau der erste Kern für eine aufständische Orga—
nisation; zwölf junge, bis dahin völlig bedeutungslose und
im Lande unbekannte Männer traten zu einem geheimen
Ausschusse zusammen, der nach revolutionärem Brauche im
Namen des polnischen Volkes sich selbst die Vollmacht zur
Leitung der nationalen Bewegung gab. Seine Verfügungen
erschienen ohne Namensunterschrift, nur durch das Siegel des
Ausschusses beglaubigt; bei der vorhandenen Gährung fand
er bereitwilligen Anklang und zahlreiche Genossen in allen
Theilen des Landes. Einst hatte eines der Häupter der
Erhebung von 1831, Mochnacki, eine geschichtliche Darstellung
derselben mit dem Satze geschlossen: Polen wird frei werden,
wenn sich seine Vaterlandsliebe zu Disciplin und Gehorsam
steigert; die jetzigen Führer hatten sich das Wort gemerkt,
und die unbedingte Vollziehung jedes Befehls des Ausschusses
wurde zum ersten und letzten Gebot für alle Mitglieder des
Bundes. Ebenso bestimmt war das Ziel der Verschwörung
erklärt, Polens Herstellung in den Grenzen, mindestens von
1771, wenn irgend thunlich aber, der glänzenden jagellonischen
Zeit, von der Oder bis zu den Karpathen und dem Dniepr.
Zu einer kämpfenden Erhebung war man noch nicht gerüstet;
man beschloß zunächst durch eine Reihe waffenloser Demon-
strationen die Volksmassen zu erhitzen, die Unterdrücker zu
gehässiger Gewaltthat zu reizen und der Welt zu zeigen, daß
Polen noch lebe.
Im Februar 1861 tagte zu Warschau die Generalver-
sammlung des landwirthschaftlichen Vereins, und behandelte
die große Frage der bäuerlichen Verhältnisse. Man war
cinig darüber, daß irgend etwas geschehen müsse, um die
Leitung in der Sache zu behaupten, aber über das Wie