1861 Belagerungsstand und neue Tumulte. 489
In dem Post- und Eisenbahndienst bestand jetzt beinahe die
Hälfte der Beamten aus Agenten des Comite's, und nicht
viel anders sah es bei den Mannschaften der Polizei und der
Gensdarmerie aus. Die von dem Comité ausgeschriebenen
Steuern wurden pünktlich einbezahlt, seinen Verfügungen un-
bedingte Folge geleistet, die Widerspenstigen oder Säumigen
von den Dolchen der mächtigen Vehme getroffen. Das
Comité dehnte bereits seine Thätigkeit auch auf Lithauen und
Volhynien aus; in Kowno und Wilna gab es ebenso blutige
Tumulte wie in Warschau. Auf den 10. October schrieb das
Nationalcomité eine große Volksversammlung nach Horodlo
am Bug aus, zur Erinnerung an die dort 1413 vollzogene
Vereinigung der Polen und Ruthenen, und zugleich als
Protest gegen Polens Theilungen vor dem Angesicht Europas.
Der Aufruf lud deshalb Deputationen aus allen ehemals von
Polen beherrschten Landen nach Horodlo, aus Posen, West-
preußen und Pommern, aus Krakau, Galizien und Kiew. Der in
Horodlocommandirende russische General sah mit seinen Truppen
gelassen zu, als die von Lambert verbotene Feier auf freiem
Felde mit allem kirchlichen Pompe durch den Bischof von Lublin
mit hundert Priestern vor 4000 Menschen begangen wurde.
Dies brachte dann in Petersburg das Gefäß des kaiser-
lichen Unwillens zum Überlaufen, und am 14. October erschien
in Warschau ein allerhöchster Befehl mit der Erklärung des
Belagerungsstandes. Das geheime Comitsé stellte dem die
Anordnung eines Nationalfestes zu Ehren Kosciusko's in
allen Kirchen auf den 15. Abends entgegen. Unter unermeß-
lichem Zulauf fand die Feier Statt; am Schlusse des Gottes-
dienstes wurden in zwei Kirchen wieder revolutionäre Lieder
angestimmt, darauf die Thüren militärisch besetzt, und als die