500 Polnische Wirren. 1863
In der Nacht vom 23. Januar wurde dann eine An-
zahl russischer Garnisonen in den kleinern Städten überfallen.
Das Geheimniß war in staunenswerther Weise bewahrt worden;
überall lagen die russischen Soldaten ruhig schlafend in ihren
Quartieren; etwa hundert wurden beim ersten Angriffe nieder-
gestoßen oder in den angezündeten Häusern verbrannt, und
über dreihundert verwundet. Aber ein entscheidendes Ergebniß
erreichten die Aufständischen nicht. Aller Orten folgte der
ersten Überraschung ein rascher Alarm, Versammlung der
Truppen und Zurückweisung der polnischen Schaaren. Diese
warfen sich darauf in die Wälder, sammelten sich auf's Neue
und erhielten Zuzug von allen Seiten her, meistens Schlachtizen,
Handwerker, Studenten, sehr wenige Bauern, bald auch
posener und galizische Freiwillige. Mit einem Schlage war
das ganze Land von Kriegslärm erfüllt, die königliche Civil-
verwaltung wie Spreu vor dem Winde verweht, und die Hoff-
nungen der Patrioten flogen hoch über alle Hindernisse und
Schranken hinaus. Aber auch in Rußland herrschten auf die
Kunde von der Empörung ähnliche Stimmungen. Dort sah
das gesammte Volk in dem Angriff auf schlafende Soldaten
einen heimtückischen Meuchelmord im Großen, und tausend
Stimmen forderten die Regierurg zu blutiger Vergeltung auf.
Gortschakoff aber sagte: es ist gut, daß die Eiterblase endlich
geplatzt ist; jetzt wollen wir sie herausschneiden, und dann
fortfahren, ein mildes und versöhnendes Regiment zu führen.
Er und alle Welt in Petersburg glaubte an eine rasche Über-
wältigung der Meuterei. Dann wäre, schrieb der preußische
Generalconsul in Warschau, Wielopolski allmächtig, und könnte
Polen nach allen seinen Wünschen einrichten. Ein anderer
preußischer Beobachter schildert, wie in der Umgebung des