1863 Nochmals gehen Noten nach Petersburg. 549
sondern ließ den beiden Genossen den Entwurf, dieses Mal
zu einer identischen Note, vorlegen, welche, nach einer sehr
nachdrücklichen Widerlegung aller Sätze Gortschakoff's, in
ihren Schlußworten beinahe die Form eines Ultimatums an-
nahm. Allein weder Lord John Russell noch Graf Rechberg
wollten von identischen Noten reden hören; es blieb bei der
bisherigen Form gleichzeitiger Außerungen, welche wenigstens
in Wien einen viel sanftern Ton als in Paris anschlug, wenn
gleich auch hier die Verantwortung für alle üblen Folgen
Rußland zugeschoben wurde. Man hatte zwar den Vorschlag
des Herrn Drouyn de Lhuys zu einem Allianzvertrage ab-
gelehnt, wollte aber doch auf der Schwelle des Fürstentags
die Verbindung mit Paris nicht gänzlich abbrechen. Nachdem
die beiden Westmächte ihre Noten am 3. und 11. nach Peters-
burg gesandt, folgte also die österreichische am 12. August.
Sie bekamen, wie ihre Vorgängerinnen im Juni, zunächst
eine thatsächliche Untwort. Damals war Wielopolski beur-
laubt worden; jetzt erhielt trotz alles Sträubens Großfürst
Constantin den Befehl zur Rückkehr nach Petersburg. Die
Dictatur des Grafen Berg war damit der letzten Schranke
entledigt worden. Wie grimmig auch die Nationalregierung
ihr Schreckenssystem steigerte — man zählte damals seit dem
Beginne des Aufstandes beinahe 500 auf ihren Befehl voll-
zogene Meuchelmorde — Lithauen war vollständig unter-
worfen, und in Polen zog sich der eiserne Ring der russischen
Militärgewalt immer enger um den Mittelpunkt der Rebellion
zusammen.
Unterdessen entfalteten sich fröhlichere Bilder in Süd-
deutschland. Vor Allem schmückte sich die alte Stadt der
Kaiserwahlen und des Bundestags für den Empfang des