Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Zweiter Band. (2)

560 Der Frankfurter Fürstentag. 1863 
preußischen Regierung sein Urtheil über ihr Verhalten mit- 
zutheilen. In einer nach Berlin gerichteten Depesche vom 
30. September erklärte er die beiden ersten preußischen 
Forderungen, betreffend das Veto und das Alternat, für 
gerecht und verständig, aber bat dringend, von der dritten, 
eines deutschen Parlaments aus directen Volkswahlen, abzu- 
stehen: denn ein Wahlgesetz mit hohem Census werde alle 
Liberale zum Widerspruch reizen, bei niedrigem oder gar 
keinem Census aber würden Wahlen erfolgen, welche wie 
1848 der Revolution Thor und Thür eröffneten. Bismarck's 
Antwort darauf ist bemerkenswerth, weil sie bereits den Ge- 
dankengang zeigt, nach welchem er drei Jahre später der 
künftigen Reichsverfassung ihr Gepräge gegeben hat. Was 
das deutsche Parlament betrifft, sagte er in einer Depesche 
vom 8. October, so beruht unser Standpunkt nicht auf einer 
politischen Theorie, sondern auf materiellen preußischen In- 
teressen, welche mit denjenigen der Mehrheit der deutschen 
Nation identisch sind. Nicht die deutschen Regierungen, sondern 
das deutsche Volk im überwiegenden Theile hat mit uns 
gleiches Interesse. Preußen braucht ein Gegengewicht gegen 
die dynastische Politik der Regierungen, und kann dasselbe 
nur in der Nationalvertretung finden... Selbst der ge- 
ringste Census würde noch bessere Garantien gegen revolutio- 
näre Uberschreitungen bieten, als manches Wahlgesetz, aus 
welchem die einzelnen Landesvertretungen jetzt hervorgehen, 
bessere Garantien namentlich, als der Wahlmodus in Preußen. 
Wie man sieht, war bei dieser Auffassung der Schritt 
zum allgemeinen gleichen Stimmrecht nicht groß. 
Zum Schlusse versicherte Bismarck, nach Preußens 
Ansicht solle der Vorschlag einer Nationalvertretung nicht
	        
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