92 Dänemarks Vertragsbrüche.
wurde die Einsetzung emes gemeinsamen Ministeriums des
Innern angeordnet, obgleich nach dem Vertrage von 1852
die innere Verwaltung jedes Herzogthums von einem besondern
Minister ausschließlich geleitet werden sollte. Endlich blieb
auch nach dem Erlasse der Verfassung der bisherige Contrast
zwischen der unbeschränkten Volksfreiheit in Dänemark und
der schrankenlosen Polizeigewalt in den Herzogthümern. Trotz
der Bestimmungen von 1852 war und blieb die Unterwerfung
Schleswig-Holsteins unter die Herrschaft der rach= und hab-
süchtigen Demokratie von Kopenhagen vollständig.
Wie kam es, daß gegen eine so schreiende Nichtachtung
der Verträge weder der deutsche Bund noch seine beiden
Großmächte einschritten?
Der Grund dieses Nichtsthuns war ebenso einfach wie
zwingend. Er lag dieses Mal nicht allein in der elenden
Beschaffenheit der deutschen Bundesverfassung und auch nicht
allein in der reactionären Gesinnung der Wiener und Berliner
Minister. So wenig Neigung Graf Buol in Wien oder
Herr von Manteuffel in Berlin zur Beschirmung ständischer
Rechte gegen eine königliche Obrigkeit hatten, so empfanden
sie doch den Schimpf, daß ein kleiner Staat wie Dänemark
einen von Osterreich und Preußen vollzogenen Vertrag un-
gestraft mit Füßen trat. Aber Dänemark hatte seine Zeit
gut gewählt. Es waren die Tage des Krimkriegs, der
wachsenden Verbitterung zwischen den deutschen Mächten, der
schweren Sorge, im deutschen Westen französische Heerhaufen
als österreichische Bundesgenossen den Rhein überschreiten zu
sehen. Unter solchen Umständen wäre es Wahnsinn gewesen,
zu allen diesen Gefahren noch einen Conflict zwischen Deutsch-
land und Dänemark zu entzünden, zumal es sicher war, daß