Verhandlungen am Bundestag. 95
Es geschah, was Bismarck gerathen hatte: Preußen und
Osterreich machten im Juni 1856 vertrauliche Vorstellungen
in Kopenhagen unter Erinnerung an die Zusagen von 1852.
Die dänische Regierung gab erst im September eine aus-
weichende Antwort, bemühte sich aber eifrig, die außerdeutschen
Großmächte gegen die deutschen Zumuthungen in Bewegung
zu setzen. Allein der englischen wie der russischen Regierung
war die Mißhandlung der Herzogthümer bekannt genug, und
in Paris fand Kaiser Napoleon, daß die berühmte Integrität
Dänemarks für Frankreich sehr gleichgültig sei. So sah
Preußen kein Hinderniß gegen weiteres Voranschreiten. Leider
verließen jetzt die beiden deutschen Mächte den im Juni
betretenen Weg directer Verhandlung mit Kopenhagen, und
bereiteten statt dessen einen gemeinsamen Antrag am Bundes-
tage vor, für den Fall, daß Dänemark sich fortgesetzt weigere,
die Verfassung von 1855 den Ständen der Herzogthümer
zur Berathung vorzulegen. Die Überweisung der Sache an
den Bund hatte den scheinbaren Vortheil, daß in eine solche
innerdeutsche Verhandlung das Ausland kein Recht zur Ein-
mischung hatte: wie aber, wenn das Ausland auch ohne Rechts-
titel auf Grund seiner eigenen Interessen sich dennoch ein-
mischte? Viel sicherer als jener angebliche Nutzen war der
positive Nachtheil, daß der Bund sich nur um das Bundes-
land Holstein-Lauenburg zu kümmern, mit Schleswig aber
sich zu befassen, ganz und gar nicht berechtigt war; während
also die Hauptbeschwerde der Herzogthümer die Trennung
Schleswigs von Holstein war, konnte die Thätigkeit des
Bundes die zwischen Beiden gesetzte Kluft nur erweitern, aber
nicht ausfüllen. Nur zu bald sollte sich dies Ergebniß that-
sächlich herausstellen.