110 Dänemarks Vertragsbrüche.
und wie heftig Ende 1862 der innere Hader in Deutschland
über die Bundesreform entbrannt war, wird es begreifen,
daß die deutschen Mächte in der dänischen Depesche nur eine
offene Verhöhnung erblickten, und sich nicht veranlaßt fanden,
einen solchen Schriftwechsel weiter fortzusetzen. Lord John
Russell freilich vermochte sich nicht so schnell zu überzeugen,
daß seine ebenso humanen wie vernünftigen Mahnungen so
ganz ohne Eindruck in Kopenhagen bleiben könnten. Noch
einmal ließ er eine Depesche dorthin abgehen, natürlich nur
mit der Wirkung, daß er noch einmal, am 5. Januar 1863,
eine verschärfte Abfertigung seiner gutgemeinten Wünsche
erhielt. Am 16. Januar sandte darauf Hall eine Depesche
gleiches Inhalts nach St. Petersburg. Er weissagte darin
die ernstesten und schwersten Verwicklungen, wenn der deutsche
Bund nicht abgehalten würde, in der holsteinischen Verfassungs-
frage seine bisherigen Übergriffe fortzusetzen. In Bezug auf
Schleswig bedauerte er, nicht auf die vollständige Billigung
des Fürsten Gortschakoff rechnen zu können. In Erinnerung
der frühern wichtigen, von Rußland geleisteten Dienste, habe
Dänemark den lebhaften Wunsch, sich den Ansichten des
Kaisers möglichst zu nähern. Es gebe aber Fragen von
solcher Bedeutung und Wichtigkeit, daß eine Regierung ihr
eigenes Urtheil nicht dem ihrer Freunde, auch nicht ihrer auf-
richtigsten Freunde, unterordnen könne. Und die schleswig'’sche
Frage sei für Dänemark eine Frage dieser Art. Fünf Tage
später beschloß das Landsthing des dänischen Reichstags
eine Adresse an den König, welche eine definitive Verfassung
für das Königreich und Schleswig, also die Incorporation des
letztern, unter der Erklärung begehrte, daß für eine solche
Politik das dänische Volk jedes Opfer zu bringen bereit sei.