4 Die alte Verfassung Schleswig-Holsteins.
zu unterscheiden vermochten, war schließlich, daß Deutschland
groß und Dänemark klein, und folglich Deutschlands Feind-
seligkeit gegen den schwachen Nachbar ebenso unbillig wie
umritterlich sei, wozu dann noch vielfach die Erwägung kam,
daß in Kopenhagen eine demokratische Verfassung bestehe,
während in Holstein hochadliche Junker, und in Deutschland
reactionäre Regierungen den Ton angäben. Also fordere
Großmuth und Freisinnigkeit gleich nachdrücklich, daß Europa
den liberalen Zwerg nicht durch den brutalen Riesen unter-
drücken lasse.
In unserer Zeit ist nun jener Staub rechtsgelehrter
Erörterungen längst zu Boden gefallen, und die sehr einfache
Sachlage klar geworden. Zwei, von einander völlig unab-
hängige Streitpunkte hatten sich zwischen Dänemark und den
Herzogthümern erhoben, eine Verfassungs= und eine Thron=
folgefrage. Nur bei der letztern waren alle jene Zweifel und
Controversen entsprungen, während in der erstern die gewalt-
thätige Offensive Dänemarks gegen Schleswig-Holstein jeder
Spur eines rechtlichen Vorwandes entbehrte, mit Ausnahme
etwa des Satzes, daß Schleswig vom 9. bis zum 14. Jahr-
hundert eine dänische Provinz gewesen. Da mun aber seit-
dem das Land sich mit deutscher Bevölkerung erfüllt, mit
Holstein die engste Verbindung geschlossen, und dann erst im
Jahre 1460 Beide gemeinsam den damaligen Dänenkönig auf
ihren Thron berufen hatten, ausdrücklich, wie es in der
Wahlacte hieß, nicht als einen König von Dänemark, sondern
als einen Herrn dieser Lande: so bestand von diesem Zeit-
punkt zwischen Dänemark und den Herzogthümern kein anderes
staatsrechtliches Verhältniß als jenes der Personalunion, und
bei jedem Versuche Dänemarks, dieses Verhältniß ohne die