Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Dritter Band. (3)

Der Bundestag und die öffentliche Meinung. 121 
gesetzt werden durften; bis dahin hielt die Verhandlung die 
Frage lebendig, und unterdessen konnte Vieles geschehen, viel- 
leicht die gesammte Weltlage von Grund aus verwandelt 
werden. Also sprach Preußen auf Rechberg's Frage sein 
Einverständniß mit einem Vorgehen am Bundestage aus. 
Zugleich aber bewegte sich die öffentliche Meinung in 
Deutschland mit lebhafter Ungeduld. überall forderte die 
liberale Presse zu kräftigem Vorgehen gegen die dänische Un- 
gebühr auf; der bisher von dem deutschen Bunde eingehaltene 
Standpunkt, die Forderung des Vertragsrechts von 1852, 
wurde als völlig verwerflich bezeichnet, da diese Verträge selbst 
bereits eine schimpfliche Einschränkung der alten Landesrechte 
erschaffen hätten: man solle Gott danken, daß Dänemark 
diese Schranken jetzt selbst niedergerissen habe, aber nicht 
Deutschlands Kraft aufbieten, sie mühsam wieder aufzurichten. 
Freilich hatte man geringes Vertrauen auf die Politik der 
deutschen Mächte in der großen Frage, da in deren frühern 
Stadien sich Osterreich stets dänenfreundlich gezeigt, und 
Bismarck die Nothwehr Schleswig-Holsteins als schnöde 
Empörung verurtheilt hatte. Vor Allen nahm hier der 
Nationalverein seine Stellung. In einem heftigen Manifest 
verurtheilte er die preußische Politik, welche sich rechtlos im 
Innern, freiheitfeindlich gegen Polen, und mattherzig gegen 
Dänemark zeige, und damit jeden Anspruch auf die Führung 
Deutschlands verloren habe: er forderte dagegen die Berufung 
eines deutschen Parlaments, welches nach dem Willen des 
deutschen Volkes das heilige Recht der Herzogthümer auf ihre 
gemeinsame Unabhängigkeit und agnatische Erbfolge gegen den 
bösen Willen jedes Widersachers verwirklichen werde. Die 
meisten Regierungen der Mittel= und Kleinstaaten sahen sonst
	        
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