Osterreich wünscht Aufschub. 161
Der Erbprinz von Augustenburg, der am 18. November in
Berlin erschien, empfing demnach von Bismarck die kurze
Antwort, daß er ihm keine Rathschläge ertheilen könne, da
Preußen an das Londoner Protokoll gebunden sei. Gleich
nachher zeigte sich, wie richtig man hiebei den Wiener Hof
beurtheilt hatte. So weit war man dort von einem Zweifel
gegen Christian's Thronrecht entfernt, daß man umgekehrt
meinte, es sei nur billig, daß man dem neuen Könige einige
freie Zeit zur Orientirung lasse und deshalb den Vollzug der
Execution einstweilen aufschiebe. Ja, man meldete nach Berlin,
daß man sehr dankbar sein würde, wenn Preußen die ganze
Reserve für die Execution allein stellen wolle, da die Ent-
sendung eines so kleinen Corps in so weite Ferne für
Osterreich allerlei militärische Unbequemlichkeit habe. Übrigens
müsse man dem Augustenburger Lärmen energisch entgegen
treten, und den Bundestag zur raschen Anerkennung König
Christian's zwingen. Die Summe war also: am liebsten
gar nichts thun, später einmal etwas verhandeln, militärische
Maaßregeln, wenn sie unvermeidlich wären, Preußen über-
lassen. Bismarck antwortete darauf mit der Frage, ob nicht
die sämmtlichen Verträge von 1852 ein untrennbares Ganzes
bildeten, bei dessen Bruch durch Dänemark die deutschen
Mächte in jeder Hinsicht freie Hand bekämen, erklärte übrigens,
daß Preußen einstweilen von dieser Freiheit noch keinen Ge-
brauch mache, sondern an dem Londoner Protokoll festhalte,
um so mehr aber von Dänemark die Erfüllung seiner con-
stitutionellen Zusagen fordere und deshalb vor allen Dingen
Beschleunigung der längst beschlossenen Bundesexecution be-
gehren müsse. 4
Es war dafür gesorgt, daß der österreichische Minister
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches. III. 1