166 Erbstreit und Verfassungsfrage.
nicht berechtige, sich von dem Vertrage über die dänische
Integrität und Erbfolge loszusagen, und daß Preußen
durch den letztern nicht bloß Dänemark, sondern auch den
Großmächten gegenüber verpflichtet sei: die Widerlegung beider
Sätze war aus der nähern Betrachtung der Vorgänge von
1852 sehr leicht zu führen. Ubrigens. wozu eine solche Er-
örterung? fragte Bismarck. Ihr erkennt an, daß die neue
dänische Verfassung einen Vertragsbruch enthält, gegen den
wir uns erheben müssen; unfrerseits haben wir uns vom
Londoner Protokoll nicht losgesagt, und sind bereit, für die
Annahme Eurer Vermittlung zu stimmen; so wären wir ja
einig. Aber schon zwei Tage später war diese Vermittlung
bereits wieder vom Horizonte verschwunden, und an ihre
Stelle der Antrag getreten, die Streitfrage nicht England
allein, sondern allen Unterzeichnern des Londoner Protokolls
zur gemeinsamen Erwägung vorzulegen; sonst könnte England
sich vielleicht zu thätiger Unterstützung Dänemarks veranlaßt
sehen. Acht Tage früher hatte England seine alleinige Ver-
mittlung ausdrücklich deshalb angetragen, weil die Mitwirkung
anderer Mächte den französischen Congreßplan wieder beleben
könnte. Man begreift, daß ein solches Gemenge von Zu-
geständnissen, Drohungen und Schwankungen, wie es hier
Lord John zu Stande brachte, einem Staatsmann von
Bismarck's Anlage weder Furcht noch Ehrfurcht einflößen
konnte. Mochte es gelegentlich lästig fallen, schwerlich konnte
es einem besonnenen Vorgehen ernste Gefahr bringen.
In anderer Weise erheblich waren dann die gleichzeitigen
Berichte des Grafen Goltz aus Paris. Goltz, ein geistreicher,
lebhafter, zuweilen eigenwilliger, stets aber von äußern Ein-
drücken abhängiger Mann, hatte die beginnende Entfremdung