12 Die alte Verfassung Schleswig-Holsteins.
von Gottorp abgezweigt, und während mehrerer Menschenalter
die Landeshoheit über einzelne Theile Schleswig-Holsteins
gemeinsam mit der königlichen Linie, über andere Stücke aber
füe sich allein besessen. Nach vielfachem Hader hatte dann
1720 der König Frederik IV. die Gottorper mit Waffen-
gewalt vertrieben und ihren Antheil mit dem seinigen ver-
bunden. Der Protest der Gottorper gegen diese Beraubung
gewann weiterhin einen furchtbaren Nachdruck durch den Um-
stand, daß der älteste Zweig dieses Geschlechtes auf den russi-
schen Kaiserthron gelangte; endlich kam man überein, daß in
zwei Verträgen von 1767 und 1773 Rußland zu Gunsten
König Christian's VII. auf alle Ansprüche an Schleswig-Holstein
verzichtete, und dafür das Haus Gottorp die Grasschaften
Oldenburg und Delmenhorst für seinen jüngsten Zweig erhielt.
Wie nun, wenn nach dem Erlöschen des königlichen Manns-
stammes das jetzige Haupt des Gottorper Hauses, der gewaltige
Kaiser Nikolaus von Rußland, auch jenen Verzicht für er-
loschen erklärte, und seine Hand nach Kiel und der Hälfte
der Herzogthümer ausstreckte? Mochte das wohl oder übel
begründet sein, die russische Kriegsmacht war überlegen genug,
um auch große Schwächen ihrer Rechtsdeduktionen siegreich
zu decken.
Es begreift sich, daß alle diese herandrohenden Möglich-
keiten das Herz des Dänenkönigs schwer belasteten, und das
Streben nach allen Mitteln der Abwehr in ihm anregten.
Denn welcher König und welcher Staat wird die Halbirung des
ihm anvertrauten Gebietes wegen einiger vor zwei Jahrhunderten
entstandener Erbrechts-Titel gutwillig zulassen? Entfernter
lag wohl die russische Gefahr, da man gegen diese auf die
Eifersucht der andern europäischen Großmächte bauen durfte.