Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Dritter Band. (3)

300 Die Londoner Conferenz. 
Landabtretung, sondern würde sich mit den Compensationen 
begnügen, welche ihm ein offenes und kräftiges Einverständniß 
auf andern Gebieten zu gewähren geeignet seien. Drouyn de 
Lhuys legte dann noch des Weitern dar, wie wenige Ein- 
wendungen gegen ein solches System sich erheben könnten; die 
innere Großartigkeit des Gedankens, sagte er, muß auf der 
Conferenz einen unwiderstehlichen Erfolg haben. Er bat dann 
noch um strenge Discretion, und bemerkte, daß er sich gegen 
den englischen Minister Lord Clarendon, dessen Ankunft in 
einigen Tagen erwartet war, völlig zugeknöpft verhalten 
würde, bis er auf die eben gemachten Mittheilungen Ant- 
wort aus Berlin empfangen hätte. 
So wurde der Gedanke einer preußischen Annexion der 
Herzogthümer, der längst, wie wir sahen, in der Luft lag, 
der jedesfalls für Deutschlands Gesammtinteressen die beste 
Lösung des Streites darbot, und der auch von Napoleon 
schon früher gesprächsweise gestreift worden war, jetzt amtlich 
aus Paris der preußischen Regierung entgegen getragen. 
Die Londoner Conferenz stand vor der Thür: man mußte 
sich erklären. Wie unschätzbar Napoleon's Unterstützung für 
Preußen werden konnte, wenn sie redlich gemeint war, bedarf 
keiner Erörterung. Aber war sie redlich gemeint bei der 
stets unberechenbaren Natur des Kaisers? Wohl hatte er 
seit dem Anfang seiner Regierung sich Preußen stets zu 
nähern gesucht; nach der kurzen polnischen Störung schien 
er also jetzt nur zu der alten Gesinnung zurückzukehren. 
Aber er liebte es, wie sein Oheim, mehrere Sehnen an seinem 
Bogen zu haben; man wußte, wie schnell und leicht er in 
Bundes= oder Kriegsfragen die Front zu wechseln pflegte. 
Zur Zeit erstrebt er in der That unsere Freundschaft, schrieb
	        
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