304 Die Londoner Conferenz.
und erklärte dann, ihm sei die Nationalitätsfrage und das
Votum der Bevölkerung das Wesentliche; er halte die Linie
Schlei-Husum für eine gute Grenze, und werde sich, wenn
Preußen dieselbe für den schlimmsten Fall annehme, gebunden
halten, die weitern preußischen Wünsche zu unterstützen; er
selbst habe übrigens gegen jede andere, für Deutschland
günstigere Grenze, wenn Preußen sie durch ein Votum der
Bevölkerung erlange, nichts einzuwenden, im Gegentheil, er
werde dann sehr gerne Alles thun, ihre Annahme auch auf
der Conferenz durchzusetzen. Nicht minder sprach er sein
Einverständniß mit dem von Bismarck gewünschten Vorgehen
auf der Conferenz aus, zuerst also Forderung der Personal-
union, dieses mittelalterlichen Bastardprojects, wie er sich
ausdrückte, dessen allseitige Verwerfung sicher sei, darauf
Vorschlag Augustenburg's, welcher um so gewisser von der
Conferenz abgelehnt würde, je mehr an Land und Leuten
man für ihn fordere: dann bleibe nichts übrig als Theilung
Schleswigs nach den Nationalitäten und Annexion des deutschen
Antheils an Preußen.
Daß dies Alles in tiefem Geheimniß verborgen blieb,
verstand sich von selbst. Es war kein Vertrag, der hier ge-
schlossen wurde; es war ein vorläufiges Einvernehmen, welches
im Grunde keinen der beiden Theile verpflichtete, und lediglich
für den Augerblick eine gegenseitige freundliche Gesinnung
bekundete. Nur mit Widerstreben entschloß sich der König,
nicht auf der ausdrücklichen Verwerfung der Schleilinie unter
allen Umständen zu bestehen: Goltz erhielt den Auftrag, dem
Kaiser die in Schleswig beobachtete Stimmung der Bevölkerung
mit möglichstem Nachdruck vor Augen zu führen, und um so
mehr die Befragung derselben zu accentuiren; dadurch werde