Umschlag in der österreichischen Politik. 327
gerne dazu die Hand bieten, aber die höchste Vorsicht sei
nöthig; man müsse die englische und russische Freundschaft
für den unausbleiblichen Kampf gegen Frankreich und die
Revolution bewahren; der dann sichere Sieg würde auch
Preußen eine territoriale Vergrößerung bringen; die jetzigen
Conjuncturen aber paßten zu einer solchen schlechterdings
nicht. Um so fester hielt Rechberg an dem Wunsche fest,
daß durch die Anerkennung der Personalunion Schleswig-
Holstein für Christian IX. gerettet, und Preußen nicht in die
Versuchung eigennütziges Begehrens geführt werde. Als
trotzdem Dänemark die Personalunion so unbedingt abgelehnt
hatte, fand man sich in Wien ebenso wie in Berlin an einem
Wendepunkt der Geschicke. Nichts erschien dringender als
den damit leer gewordenen Herzogsthron König Christian's
mit einem andern Inhaber zu füllen, ehe Preußen an die
Vacanz ehrgeizige Hoffnungen anknüpfen könnte. Freilich
war es ungewiß, wie Preußen die Sache aufnehmen würde:
aber hier war ja der Candidat des dritten Deutschland, nicht
bloß der Mittelstaaten, sondern auch des holsteiner und des
deutschen Volkes. Wenn man Augustenburg proclamirte, so
hatte man den ganzen Strom der nationalen Begeisterung,
welcher bisher den innersten Wünschen Osterreichs so vielfach
lästig gewesen, in das österreichische Bette geleitet, und konnte
mit dieser Unterstützung ruhig Preußens Maaßregeln erwarten.
Und nun geschah das Unerwartete: Preußen selbst beantragte,
in der Conferenz Schleswig-Holstein für Augustenburg zu
fordern! Freilich redete die Depesche noch von sonstigen
Möcglichkeiten; indessen, gleichviel, dies Alles würde sich finden,
wenn erst Se. Hoheit Herzog Friedrich in Kiel installirt und
als souveräner Bundesfürst anerkannt wäre. Als Werther