392 Wiener Friede. Rechberg's Fall.
lichkeit der einzelnen Leistung Raum gab. Als Nationalöko-
nom war er Freihändler nach wissenschaftlich durchgebildeter
Überzeugung, nicht in dem modernen Sinne, daß es für Staat
und Gesellschaft keine höhern Gesetze als jenes des ökonomischen
Individualismus gebe, sondern nach der schlichtern Auffassung,
daß auf dem ökonomischen Gebiete Verkehrs= und Arbeits-
freiheit die reichsten Erträge liefere. Er hatte demnach die
1852 begonnene und zehn Jahre später zum Siege gelangte
Wendung der preußischen Zollpolitik mit lebhafter Wärme
begrüßt und vertreten, und war von dem Wurnsche erfüllt,
den auf diesem Boden erneuerten Zollverein vor der Wieder-
holung ähnlicher Krisen wie der eben durchgemachten zu be-
wahren. Man kann sich denken, wie widerwärtig einem solchen
Manne die jetzt auf's Neue erscheinende Forderung Oster-
reichs war, für einen bestimmten Termin nochmals eine
Unterhandlung über den Eintritt Osterreichs in den Zollverein,
den ein für alle Male als unmöglich anerkannten Eintritt,
zu versprechen. Delbrück sah in diesem Begehren eine diplo-
matische Falle, in der Erfüllung desselben eine trügerische
Phrase, und in Beidem eine mit Bewußtsein geschaffene Un-
klarheit, die seiner ganzen Natur widerstrebte und für die
Zukunft nichts als neue Zerwürfnisse in Aussicht stellte.
Daß die Einleitung des Vertrags die große Zolleinigung
als wünschenswerth bezeichnen solle, so viel hatte sein
Chef dem Ministerpräsidenten zugestanden; weiter aber
dürfe, erörterte Delbrück mit höchstem Nachdruck, schlechter-
dings nicht gegangen, und insbesondere keine Wiederholung
des Artikels 25 zugelassen werden. Denn in diesem Artikel
habe das bisherige Widerstreben der Mittelstaaten in der
Zollvereinskrisis Ursprung und Vorwand gehabt; die Wieder-