Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Dritter Band. (3)

40 Die Thronfolgefrage. 
einzelnen Rechtsfragen dabei allerdings der höhern Frage 
der Integrität untergeordnet sein; diese Verhandlung werde 
erfolgen, sobald die Gemüther sich einiger Maaßen wieder 
beruhigt hätten. Löwenstern brachte jedoch die Sache nicht 
weiter als Pechlin. Beide Höfe erklärten sich in ihrer Ant- 
wort mit der Erhaltung der dänischen Integrität einverstanden, 
vermochten aber der unbedingten Unterordnung der Rechts- 
ansprüche unter die Forderung der Integrität keineswegs zu- 
zustimmen. Der preußische König sprach seine Ansicht jetzt sehr 
lebhaft dahin aus, daß er ebenso wie der dänische die fort- 
dauernde Integrität des Gesammtstaats wünsche, für das 
einzig mögliche und erlaubte Mittel aber zu diesem Zweck 
nicht die Ausschließung Augustenburg's, sondern jene der 
hessischen Linie, und somit die Berufung Augustenburg's, zur 
Nachfolge auch in Kopenhagen erachte. Er meinte, daß 
Kaiser Nikolaus, selbst ein Oldenburger, die Erhaltung des 
Oldenburger Geschlechtes auf dem dänischen Throne dem Ein- 
drängen der hessischen Linie vorziehen würde, und hoffte auf 
thätigen Dank von Dänemark, wenn der preußische Vorschlag 
den Verlust der Herzogthümer ohne Weiteres beseitigte. 
Es war ein vermittelnder Gedanke, dessen Annahme, wie 
wir schon oben bemerkten, alle juristischen Schwierigkeiten ge- 
hoben hätte. Leider aber hatte die preußische Politik jener 
Jahrzehnte mehr als einmal das Mißgeschick, Vermittlungen 
vorzubringen, die, in der Sache redlich und trefflich gedacht, 
nur den einzigen Fehler hatten, daß sämmtliche betheiligte 
Parteien nichts davon wissen wollten. König Christian 
schwärmte für die Integrität, aber ausschließlich zum Nutzen 
seiner ihn beherrschenden Schwester und deren Nachkommen; 
die dänische Bevölkerung haßte den Herzog von Augusten-
	        
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