96 Die Zustände in Schleswig-Holstein. 1865
Da war es denn allerdings bezeichnend für die Lage, daß
eben diese strengen Particularisten, als sie einige Wochen später
in Berlin eine Zusammenkunft mit dem Frankfurter Ausschuß
der 36 und einigen Führern der preußischen Fortschrittspartei
hatten, sich genöthigt fanden, um diese Bundesgenossen nicht
zu verlieren, einen großen Theil der preußischen Februar-
Forderungen sachlich als angemessen anzuerkennen. Natür-
lich beharrten sie dabei, die vorausgehende Einsetzung des
Herzogs und Zustimmung des Landtags vorzubehalten, und
blieben dadurch in principiellem Gegensatz zu dem preußischen
Standpunkt. Immer aber hatten sie der nationalen Auf-
fassung, nicht eben bereitwillig, in der Sache eine starke Ein-
räumung gemacht. Bismarck bestärkte sich bei diesen Vor-
gängen in der Ansicht, es sei nur das Land über den Ernst
der Sachlage vollständig und gründlich aufzuklären, um dann
sehr bald einen entscheidenden Umschwung der Volksstimmung
zu erleben. So beschloß er, den Versuch zu machen, eine
Landesvertretung der Herzogthümer selbst zu berufen, und
dort die Berechtigung der preußischen Begehren zur Aner-
kennung zu bringen. Der gegnerischen Agitation würde da-
mit der beste Theil ihres Bodens entzogen sein.
Während dieser überall unsichern Verhältnissein den Herzog-
thümern ging an den deutschen Höfen die Arbeit Beust's und
Pfordten's ihren Gang. Allmählich erfuhr man in Berlin,
daß der Antrag der beiden Höfe nicht bloß eine Auskunft
von den Großmächten verlange, sondern geradezu die Ein-
setzung Augustenburg's empfehle, womit denn alle freundlichen
Reden und freundschaftlichen Versicherungen Pfordten's wesent-
lich an Bedeutung verloren. Weiter aber mußte man ver-
nehmen, daß Pfordten bereits im Januar den Antrag dem