1865 Antrag der Mittelstaaten beim Bunde. 97
Wiener Cabinet zur nähern Erwägung vorgelegt, und dieses
nach langem Besinnen im März sich mit demselben einver-
standen erklärt hatte, ohne sich veranlaßt zu sehen, dem
preußischen Allürten und Mitbesitzer eine Sylbe über den
Inhalt und die Begründung des Antrags mitzutheilen. Erst
am 19. März, als in Frankfurt die demnächstige Einbringung
desselben bereits angemeldet war, unterzeichnete Graf Mens-
dorff zugleich ein zustimmendes Circular an die Mittelstaaten,
und die erste Eröffnung darüber nach Berlin. Auch jetzt
meldete er dem preußischen Cabinet nicht den Wortlaut, son-
dern nur summarisch den Inhalt des Antrags. Derselbe
spreche die vertrauensvolle Erwartung aus, daß Osterreich
und Preußen den Erbprinzen nunmehr als Herzog einsetzen
würden. Der Wiener Hof habe im Sinne seiner preußischen
Allianz die Mittelstaaten abgehalten, sogleich auf einen ge-
bietenden Bundesbeschluß zu dringen, und somit bewirkt, daß
man sich mit dem Ausdruck einer Erwartung begnüget).
Osterreich denke dem Bundestage bei diesem Anlasse den Ver-
lauf seiner bisherigen Berliner Correspondenz mitzutheilen;
was die Behandlung des Antrags betreffe, so sei das Wiener
Cabinet gegen die Verweisung desselben an einen Ausschuß,
wünsche vielmehr unmittelbare Beschlußfassung etwa nach acht
Tagen; übrigens gebe man dem Berliner Hofe anheim, ob
nicht die beiden Mächte als zunächst Betheiligte sich der Ab-
stimmung enthalten möchten, weil dann ihre Meinungsver-
schiedenheit weniger scharf hervorträte. Um Preußens Eifer
zur Bestreitung des Antrags weiter abzuschwächen, erschien
1) Pfordten erklärte nachher sehr unwillig, hieran sei kein wahres
Wort; der Antrag sei genau so eingebracht, wie er ihn im December
mit Beust verabredet habe.
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches. IV. 7