Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Vierter Band. (4)

98 Die Zustände in Schleswig-Holstein. 1865 
es den Wiener Staatsmännern zweckmäßig, in ihren Ge— 
sprächen mit Werther die völlige Geringfügigkeit desselben 
zu betonen. Der Bundestag, sagten sie, ist zur Entscheidung 
über eine streitige Thronfolge nicht competent; wenn also 
Preußen auf den Antrag nicht eingeht, so kann derselbe keine 
rechtliche Wirkung haben außer der einen, daß Beust und 
Pfordten ihren Landtagen wieder einmal eine gloriose An- 
strengung für Schleswig-Holstein melden könnten. So sei es 
auch für Osterreich völlig gleichgültig, ob der Bundcstag den 
Antrag annehme oder nicht. Jedesfalls aber liege in seiner 
Unterstützung durch Osterreich keine Verletzung des Vertrags 
vom 16. Januar; wir haben nur eine Ansicht ausgesprochen, 
denken aber nicht an irgend eine factische Vorkehrung ohne 
Einverständniß mit Preußen. 
Es war eine etwas befremdliche Erscheinung, dieser Aus- 
spruch völliger Harmlosigkeit eines Bundesbeschlusses in dem 
Munde einer Großmacht, welche fort und fort wegen der 
Heiligkeit des Bundesrechts Preußens Münsche zurückwies. 
Denn eine tiefere Herabwürdigung der Bundesautorität konnte 
es doch nicht geben, als sie Beschlüsse fassen zu lassen, denen 
man selbst jede Wirksamkeit beim Widerspruch eincs einzigen 
Mitgliedes bestritt, ja, die man sogar als außerhalb der Com- 
petenz des Bundes liegend bezeichnete. Es verstand sich, 
daß alle diese Reden in Berlin nicht den mindesten Eindruck 
machten. Sie änderten nichts an der Thatsache, daß ein 
Bundesbeschluß unter Osterreichs stützender Billigung nicht 
bloß eine Meinungsäußcrung, sondern eine gewichtige politische 
Action war. Trotz des Vertrages vom 16. Januar hatte 
Österreich hinter Preußens Rücken mit Preußens Gegnern 
Abrede genommen, und trotz seiner Theilnahme am Wiener
	        
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