1865 Allseitige Opposition gegen Schmerling. 159
entrüstet über die seit 1861 wieder proclamirten Grundsätze
der Toleranz und Glaubensfreiheit, sah mit Entsetzen, daß in
dem frommen Tirol die Bildung protestantischer Gemeinden
vorbereitet wurde, vernahm mit Abscheu, daß Schmerling die
Verkündung der päpstlichen Encyclica und des Syllabus von
1864 zwar nicht verbot, dafür aber den Grund anführte, daß
dieselben nur persönliche Meinungsäußerungen des Papstes,
und folglich ohne allen Einfluß auf das österreichische Staats-
recht sein würden. Endlich die ursprünglichen Stützen
Schmerling's, die deutschen Liberalen, hatten mit seinem
bureaukratischen und eigenwilligen Verfahren längst die Geduld
verloren; sie klagten über seine Dienstwilligkeit gegen jeden
kaiserlichen Wink, während umgekehrt Franz Joseph dem
Minister grollte, weil er nicht mit hinreichendem Eifer und
Erfolg dem parlamentarischen Übermuth festen Zügel anlege.
Unter diesen Umständen bedurfte es nicht viel, um einen
vollständigen Systemwechsel in der innern Politik herbeizu-
führen. Es war ein Mitglied des Ministerraths selbst, Graf
Moritz Esterhazy, welcher dazu den entscheidenden Anstoß gab.
Graf Moritz hatte einen zur Lenkung der Menschen
reich ausgestatteten Geist. Er war ein scharfer Beobachter,
kühler Urtheiler, umsichtiger Berechner; er verstand, die rechte
Stunde mit unerschöpflicher Geduld zu erwarten und dann
am treffenden Punkte den Hebel anzusetzen. Sich selbst mit
der Thätigkeit und der Verantwortlichkeit der Macht zu be-
laden, war jedoch nicht seine Sache; er war kränklich und
arbeitschen in hohem Grade und hatte in mißtrauischer Vor-
sicht einen tiefen Widerwillen, irgend etwas Schriftliches von
sich zu geben, so daß er früher sogar als Botschafter beim
Vatican in einem halben Jahre sich kaum zur Einsendung