Full text: Die Begründung des Deutschen Reiches durch Wilhelm I. Vierter Band. (4)

1865 Finanznöthe. 161 
aus Ungarn kam es trotz Schmerling's heftigem Widerspruche 
zu einem Beschlusse, welcher ein solches Verfahren als gesetz- 
widrig charakterisirte. Da Absichten dieser Art sehr bestimmt 
im Sinne des ungarischen und böhmischen Adels lagen, war 
sachlicher Anlaß genug zu dem Beschlusse vorhanden; leider 
mußte er, wie die Dinge einmal lagen, das Gegentheil von 
den Wünschen seiner Urheber bewirken, indem er dem Kaiser 
als ein neuer Übergriff des Parlaments, als eine neue Ver- 
letzung der Kronrechte dargestellt wurde. Wenige Tage vorher 
war sodann das Budget für 1865 im Abgeordnetenhause mit 
den uns bekannten Abstrichen im Heer= und Flottenwesen zum 
Abschluß gekommen, und man schickte sich an, jetzt das Bud- 
get für 1866 in Angriff zu nehmen: da erschien der Finanz- 
minister Plener mit der Erklärung, daß er in Folge unvorher- 
gesehener Ausgaben und rückständig gebliebener Einnahmen 
für die Deckung der laufenden Bedürfnisse des Jahres eine 
Anleihe von 117 Millionen Gulden beantragen müsse. Der 
Schrecken und Unwille war groß, mit welchem das Haus 
diese Mittheilung aufnahm; alle Welt war einstimmig darüber, 
daß eine solche Forderung erst nach vollständiger Prüfung 
des Budgets von 1866 zur Verhandlung kommen dürfe, und 
am 21. Juni wurden dem Minister statt 117 Millionen deren 
13 bewilligt, und auch diese nur, weil man sonst die am 
1. Juli fälligen Zinsen der Staatsschuld nicht hätte be- 
zahlen können. Ein solcher Vorgang erschien auch dem Kaiser 
unerträglich und richtete den Zorn desselben sofort gegen das 
bisherige Cabinet überhaupt: wozu diente ein Minister, der, 
während er dem Monarchen die Herzen der einen Reichshälfte 
entfremdete, in der andern nicht im Stande war, die für den 
Staat unerläßlichen Geldmittel einer rebellischen Volksver- 
v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches. IV. 11
	        
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