176 Österreichische Ministerkrisis. 1865
so offen seine Absichten auf Venetien erklärt, er hatte Jahre
lang trotz aller Finanznoth sein Heer dazu auf dem Kriegs-
fuß erhalten, daß man sein Losbrechen sicher erwarten durfte,
so bald sich ihm die trefflichste aller Gelegenheiten, ein Krieg
zwischen Preußen und Osterreich, darböte. Dies wäre dann
doppelt wichtig für Preußen, einmal, weil es einen Theil
der österreichischen Armee ferne im Süden beschäftigte, sodann,
weil es bei Napoleon's bekanntem Streben nach der Befrei-
ung Venetiens auch dem Bundesgenossen Italiens eine günstige
Gesinnung des Kaisers zu sichern schien: demnach hatte
Bismarck längst freundlichere Beziehungen, als sie 1860 und
1862 bestanden hatten, mit Italien anzuknüpfen gesucht, und
Anfang 1864 eine Verhandlung über den Abschluß eines
Handelsvertrags mit dem Turiner Hofe begonnen, dieselbe
jedoch im August desselben Jahrs, zur Zeit der Schön-
brunner Zusammenkunft, ohne Zweifel aus Rücksicht für
Osterreichs Empfindlichkeit, wieder suspendirt. Als dann
aber im Frühling 1865 die Spannung mit dem Wiener
Cabinet sich steigerte, gab er, am 13. Mai, einen Wink
hinüber nach Turin, ob Italien jetzt nicht die Verhandlung
wieder aufnehmen wollte, und zwar zum Zwecke eines mit dem
ganzen, jetzt reconstruirten Zollverein abzuschließenden Ver-
trags; in diesem Falle würde Preußen, nach Empfang einer
dahin gehenden Anregung, von sämmtlichen Staaten des
Zollvereins die Anerkennung des Königreichs Italien, gestützt
auf das Bedürfniß des deutschen Handels, verlangen. Für
Italien war dies ein sehr erfreuliches Erbieten; die Anregung
kam umgehend, der preußische Antrag an die Zollvereins-
regierungen folgte, und obwohl die Mittelstaaten hier wie
anderwärts der Trennung von Osterreich widerstrebten, erhob