1865 Der Minister La Marmora. 179
hinzuschleppen, damit nicht Preußen die Aussicht auf Italiens
Beistand mißbrauchen könne, um Schleswig-Holstein dem
Wiener Hofe abzuängstigen und dann Italien im Stiche zu
lassen — auf der andern Seite aber wollte er den Faden
doch bedächtig fortspinnen, um durch das drohende Bild des
italienisch-preußischen Bündnisses vielleicht seinerseits in Wien
Venetien herauszuschlagen, und dann Preußen gelassen den
Rücken zu wenden.
Dieser militärische Diplomat war ein solider Linien=
officier und vollkommen befähigt, ein treffliches Exercir=
Reglement aufzustellen und in straffer Weise durchzuführen.
Um die Organisation und Ausbildung des jungen italienischen
Heeres, wesentlich nach preußischem Muster, hatte er sich große
Verdienste erworben und sich dadurch bei seinem Könige in
hohes Ansehen gesetzt. Aber zum Feldherrn fehlte ihm die
frische, vorwärts drängende Kühnheit, und zum Staatsmann
Bismarck's seltene Gabe, die Dinge zu sehen, wie sie sind.
Sonst war er von Natur schlau und zähe, wie irgend ein
Piemontese; da er aber seine Schlüsse allzuoft auf falsche
Beobachtungen baute, diente sein Scharfsinn sehr häufig nur
dazu, ihn von der geraden Straße auf sumpfige Nebenwege
zu verlocken, und die Ungelenkigkeit seines Geistes hinderte
ihn dann, den Irrthum bei Zeiten anzuerkennen und möglichst
zu verbessern. Unter Cavour hatte er gelernt, daß Preußen
der Trabant Osterreichs, und demnach Italien an Frankreichs
Schutz gewiesen sei; in diesen Anschauungen war und blieb
er festgebannt, und wünschte schließlich, Venetien lieber unter
französischer Mitwirkung auf diplomatischem Wege zu gewin-
nen, als sich neben Preußen auf einen unsichern Krieg ein-
zulassen: und leider war kein Cavour mehr vorhanden, um
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