1864 Der Minister Graf Mensdorff. 27
Gesundheit noch seinen Neigungen entsprechend, und daß auch
umgekehrt weder seine Vorbildung noch seine Kräfte den
neuen Aufgaben entsprachen, trat von Anfang an unverkenn-
bar hervor. Er liebe Preußen, sagte er, und werde für dessen
Wünsche Alles thun, was die Ehre eines österreichischen
Generals verstatte, darüber hinaus aber gar nichts, auf jede
Gefahr. Hiegegen war ohne Zweifel nichts einzuwenden; nur
bewies es nichts für sein politisches Talent, für die Fähigkeit,
verwickelte Fragen mit sachkundigem Blicke zu handhaben,
günstige und widrige Momente darin zu sondern, Maaß und
Tempo ihrer Behandlung richtig zu wählen. In den schönen
Zeiten von 1850 war er österreichischer Civilcommissar in
Holstein gewesen; er bemerkte jetzt auf der Stelle, wie sehr
seitdem die Dinge sich verwandelt hatten; er sah, daß die
Frage der Elbherzogthümer zur Zeit für Osterreich wenig
günstig gelegen, um nicht mit Schmerling zu reden, daß sie
durch Rechberg gänzlich verfahren war, und oft genug seufzte
er: wäre doch Rechberg so lange Minister geblieben, um diese
Sache zur vollen Erledigung zu bringen. Insbesondere litt
er Noth bei der Wahrnehmung, wie jeder Schritt in der
Verhandlung über Schleswig-Holstein den Boden der deutschen
Bundesverfassung schwanken machte, wie die Lösung der einen
Frage unabsehbare Händel und Schwierigkeiten in der andern
hervorrief: und nun waren ihm auf all seinen cis= und
transleithanischen Commandos die Geheimnisse des deutschen
Bundesrechts ebenso unbekannt geblieben, wie die Vorschriften
des Koran und die muselmännische Theologie. So fiel er
seit dem ersten Tage in unbedingte Abhängigkeit von seinem
Referenten, dem Herrn von Biegeleben, und jenen übrigen
Diplomaten „aus dem Reiche"“, welche in den Tiefen der